Radschnellwege, was ist das und was bringt es uns?

Seit einiger Zeit geistert in Planerkreisen und auch im Landesverkehrsministerium der Begriff „Radschnellwege“ herum. Aber was ist eigentlich ein Radschnellweg und warum können Radfahrer sich darüber freuen?

Diese lichte und schön gestaltete Unterführung unter einer Hauptverkehrsstraße lässt erst gar kein unwohles Gefühl aufkommen (Zwolle).

Der Begriff leitet sich vom niederländischen „fietssnelweg“ ab. In der deutschen Adaption geht allerdings das erklärende Wortspiel verloren, denn der Begriff leitet sich von „autosnelweg“ ab, dem niederländischen Wort für „Autobahn“. Und an den Qualitätsmerkmalen für Autobahnen bemisst sich dann auch die Definition für einen fietssnelweg (in Anlehnung an Wikipedia Niederlande): Minimum sind zwei Fahrstreifen (einer je Richtung) mit einer Breite von 2,00 m (je Fahrstreifen!), wobei ausschließlich Fahrräder (einschließlich Pedelecs, aber keine Mofas) zugelassen sind   Fußgänger erhalten in aller Regel daneben einen eigenen Bürgersteig. Ähnlich einer Autobahn soll ein fietssnelweg   soweit irgend möglich   kreuzungsfrei sein, was durch Brücken und Unterführungen erreicht wird. Die Zufahrt erfolgt   wiederum autobahnähnlich   über Anschlussstellen. Und eine glatte Asphaltdecke gehört selbstverständlich auch dazu.

Diese Qualitätskriterien zielen nicht auf die Maximierung der Höchstgeschwindigkeit; es geht vielmehr um eine möglichst hohe Durchschnittsgeschwindigkeit auf längeren Strecken. Selbstständig geführte Radwege mit vergleichbarem Ausbaustandard gibt es schon lange in vielen niederländischen Städten.

Hier wurde die Hauptverkehrsstraße angehoben, so dass Radfahrer ohne Höhenunterschied durch die Unterführung fahren können (Houten).

Neu ist allerdings der Ansatz eines gezielten Baus von langen Fietssnelwegen als Konkurrenz zum Auto. Im Rahmen des nationalen Antistauprogramms entstand 2006 als Sofortmaßnahme das Programm „fiets filevrij“ (staufrei Radfahren). Damit sollen Autofahrer im „fahrradtauglichen“ Entfernungsbereich zum Umstieg auf das Fahrrad bewegt werden. Dieser Entfernungsbereich wird mit bis zu 15 km angesetzt, was auf derart gut ausgebauten Wegen durchaus realistisch ist   spätestens bei Einsatz von Pedelecs, die sich in den Niederlanden noch fünfmal besser verkaufen als in Deutschland.

Das lässt sich die niederländische Regierung auch etwas kosten: Alleine für die ersten 16 Routen wurden 10 Mio. Euro bereitgestellt. Die fünf wichtigsten Strecken sind mittlerweile fertiggestellt, 18 weitere befinden sich in der Umsetzung und für vier Routen wird noch die Machbarkeit geprüft.
Ein ganz besonderer Leckerbissen für Radler wird die „Slowlane“ (welch ein irreführender Name!) in Eindhoven. Selbstständig im Grünen geführt soll sie auf 32 km Länge die Top-Unternehmensstandorte von Bildung, Forschung und High-Tech-Industrie miteinander verbinden. Eingebettet in das Gebietsentwicklungsprojekt „Brainport Avenue“ wird dieser „Superradweg“ mit 9 Mio. Euro gefördert.

Hier sind die Verhältnisse einmal umgedreht worden: Die Radverkehrshauptachse wird bevorrechtigt über eine Hauptverkehrsstraße des Autoverkehrs geführt (Zwolle).

So ganz neu ist die Idee mit den Radschnellwegen allerdings nicht. Bereits im Jahr 1900 verband ein Radschnellweg die US-Städte Los Angeles und Pasadena. Die aufgeständerte Holzkonstruktion führte in einigen Metern Höhe kreuzungsfrei über das schon damals dichte Verkehrsnetz; eine Qualität, die seither niemals wieder erreicht wurde. Ironie der Geschichte: Anstatt über die Mauteinnahmen Gewinn zu erwirtschaften fiel die Strecke alsbald der aufkommenden Massenmotorisierung zum Opfer und auf ihrer Trasse entstand dann die erste Autobahn der USA.

Der wahrscheinlich erste deutsche Radschnellweg im Sinne der niederländischen Definition entsteht derzeit in Wuppertal. Auf Betreiben der (auch vom ADFC mitgetragenen) „Wuppertalbewegung“, die für die bettelarme Stadt Wuppertal den kommunalen Eigenanteil gesammelt hat, entsteht dort auf der „Nordbahntrasse“ ein traumhafter Radweg. Die Nordbahntrasse ist eine stillgelegte zweigleisige Bahnstrecke. Der neue Radweg ist vier Meter breit; daneben steht für Fußgänger ein zwei Meter breiter Gehweg zur Verfügung.  Mit Hilfe von Tunnels und Viadukten führt der Weg kreuzungs- und steigungsfrei durchs Stadtgebiet und erschließt über 100.000 Einwohner Wuppertals für den Radverkehr.

Auf so gut ausgebauten Radwegen macht das Radfahren richtig Spaß, mit der eigenständigen Beleuchtung auch noch nach Sonnenuntergang (Zwolle)

Der Parlamentarische Staatssekretär für Verkehr im Landesverkehrsministerium, Horst Becker, hat erklärt, dass das Land Nordrhein-Westfalen sich zukünftig für den Bau von Radschnellwegen engagieren wird. Als erste Route wird derzeit die Strecke Duisburg-Dortmund untersucht. Die Streckenführung wird allerdings wohl nicht parallel zur A 40 verlaufen; vielmehr wird die Nutzung ehemaliger Bahnstrecken angestrebt, da nur so der Anspruch der kreuzungsfreien Führung einigermaßen eingelöst werden kann. So könnte z. B. die bereits als Radweg bestehende „Rheinische Bahn“ Teil dieses Radschnellwegs werden. Auch wenn dabei möglicherweise nicht überall die hohen niederländischen Standards erreicht werden, wird ein solcher Radschnellweg auch über längere Strecken eine echte Alternative zum Auto bieten und die „Staustrecke“ A 40 entlasten.

Der großzügig ausgebaute Radweg erschließt in der niederländischen „Fahrradmodellstadt“ Houten ein Wohngebiet im neuen Stadtteil Castellum. Alle Fotos: ADFC NRW / Ulrich Kalle

Autor: Ulrich Kalle

Über Michael Kleine-Möllhoff

Meine Fahrten erledige ich meist mit dem RAD oder dem ÖPNV. Ein Auto benötige ich sehr selten. Verantwortlich bin ich für die Zeitschrift RAD im Pott. Vorstandsmitglied im ADFC-NRW und ADFC-Duisburg.
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4 Antworten zu Radschnellwege, was ist das und was bringt es uns?

  1. Hallo zusammen,

    in Münster führen wir zur Zeit mit allen Entscheidungsträgern der Stadtverwaltung und der Parteien Gespräche zu Radschnellwegen um auch in Münster die Vororte nicht nur wie schon jetzt über landschaftlich wunderbar geführte Pätkes zu erreichen oder in die Innenstadt zu gelangen, was zwar an einem sonnigen Wochenende super ist, aber nicht bei der morgendlichen Fahrt zur Arbeit und am Abend zurück in den Vorort motiviert auf das Rad umzusteigen.

    Danke für den Beitrag!

    Viele Grüße
    Matthias Wüstefeld

  2. Ulrich Allen sagt:

    Die heutige Times hat zwei Seiten dem Thema Fahrradfahren gewidmet.
    Es gab mal wieder einen Toten in London und man stellte fest, dass es in Dänemark nur halb so viele tödliche Fahrradunfälle wie in England gibt.
    Hier ein Ausblick, wie zukünftige sichere Fahrradwege aussehen könnten:

    http://www.thetimes.co.uk/tto/public/cyclesafety/article3309140.ece

  3. Pingback: “Aktionsplan Nahmobilität” vorgestellt | ADFC Blog - ADFC Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club e. V.

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