Man könnte meinen, alltagstaugliche Fahrräder seien fast 200 Jahre nach der Erfindung der Laufmaschine von Karl Drais selbstverständlich.
Tatsächlich verläuft die Entwicklung andersherum: Die Zahl alltagstauglicher Fahrräder nimmt kontinuierlich ab.
Lichtanlage, Schutzbleche und Gepäckträger sind für Alltagsräder ein Muss. Mountainbikes, Rennräder und viele andere gefragte Kreationen gehören also nicht dazu. Wie viele Jeden-Tag-Fahrräder bleiben übrig?
Nehmen wir einmal die RadWelt vom Frühjahr 2012: Sechs Alltagsräder werden getestet. Vier davon haben Kettenschaltungen. Also ist der ganze Antrieb ungeschützt Wind und Wetter ausgesetzt. Geschaltet wird mit Bowdenzügen. Gebremst in der Regel auch.
Der Tech-Talk im gleichen Heft verrät “Kniffe gegen Frost-Starre”. Betroffen von der Frost-Starre bei Minustemperaturen sind Bowdenzüge — und Nabenschaltungen. Für Nabenschaltungen, sagt die Expertin, gilt: Je mehr Gänge, desto frostempfindlicher. Die gute alte Dreigangnabe ist kaum festgefroren. Heute sind acht und mehr Gänge gefragt.
Alltäglich Rad fahren heißt ganzjährig radeln, im Sommer und Winter, bei Hitze und Frost, bei Regen und Sturm und in Staub, Matsch und Salz. Welches Fahrrad hält das aus, wenn es nachts an der Laterne parkt und höchstens einmal im Jahr gewartet wird? Für den modernen Personenkraftwagen sind diese Einsatzbedingungen Standard. Wer würde ein Auto akzeptieren, das schon im ersten Jahr dauernd in die Werkstatt muss und im Winter nicht funktioniert?
Ein historisches Fahrrad ohne Gangschaltung aber mit breiter Kette, Gestängebremse und Kettenschutz ausgestattet, ist wahrscheinlich alltagstauglicher als jedes moderne Fahrrad.
Tauschen möchten trotzdem die wenigsten. Gute Bremsen sind Pflicht. Wer im Dunkeln fährt, braucht auch mehr Licht. Aber wie alltagstauglich sind Nabendynamos, wenn das Rad draußen parkt und hundert Tage im Jahr durch Regen, Matsch und Salzlake rollt? Kein Nabendynamo hat bei mir bis jetzt mehr als zwei Winter überstanden. Wartungsfrei selbstverständlich.
Stichwort Elektronik: Pedelecs sind nicht alltagstauglich. Das Laden der Akkus setzt zwingend Plustemperaturen von acht bis zehn Grad Celsius voraus. Kälte reduziert die Kapazität der Akkus drastisch. Die Reichweite schrumpft auf ein Minimum. Wer sein Pedelec im Winter draußen parkt, muss mit dem Zusammenbruch der Elektronik durch Kondenswasser und Frostschäden rechnen.
Was bleibt? Der einzige echte Lichtblick im technischen Fortschritt sind hydraulische Bremsen, die nicht einfrieren und haltbare, pannenarme Reifen. Dazu vielleicht ein High-End Nabendynamo und die teuerste verfügbare Nabenschaltung mit geschlossenem Kettenschutz.
Der wartungsfreie wintertaugliche Fahrradsattel muss auch noch erfunden werden. Kunststoff wird bei Kälte gern brüchig. Leder braucht Pflege und mag keinen Regen.
Ansonsten im einundzwanzigsten Jahrhundert keine Chance auf ein Jeden-Tag-Fahrrad?
Der ADFC-Bundesverband hat heute eine Pressemitteilung “Entscheidungshilfe für den Fahrradkauf” zusammen mit einem Kriterienkatalog herausgegeben. Der Katalog enthält allerdings nicht alle hier im Blogartikel angesprochenen Anforderungen.
Lieber Klaus,
Viele Einschätzungen kann ich nicht teilen.
Bremsen und Schaltungen
Vielleicht hatte ich bisher sehr viel Glück, aber klassische Bowndenzugbremsen sind bei mir noch nie eingefroren. Ich bin früher klassische Seitenzugbremsen und Trommelbremsen gefahren und hatte auch in den 80er Jahren noch ein negatives Erlebnis mit einer Klotzbremse bzw. Gestängebremse. Und genau diese ist alles andere als sicher, vor allem alltags. Ich finde dass sie sehr gefährlich ist.
Ich fahre seit 1996 an meinem zum sportlichen voll alltagstauglichen Reisetrekkingrad umgebauten Cross-Trekkingbike Magura HS 22 Race-Line Felgenbremsen. Diese sind idealerweise äußerst wartungsarm und sehr zuverlässig. Wehe aber wenn es mal einer Reparatur einer solchen Bremsanlage bedarf, und dies ist mir einmal selbst und ebenso auch einem Freund in Ungarn passiert, ist man meistens zwingend auf eine erfahrene Werkstatt angewiesen. Spezialwerkzeug für diese Bremsen haben die Wenigsten in der Satteltasche, ganz zu schweigen von Reparaturkenntnissen, die dafür erforderlich sind. Deshalb würde ich heute doch wieder zu klassischen Bowdenzugbremsen greifen oder zumindest auf langen Radreisen in bestimmte Länder wo gewerbliche Magura-Experten rar und selten zu finden sind, umrüsten.
Diese Problematik gilt auch für heutzutage zunehmend verbreitete Scheibenbremsen.
Abraten von hydraulischen Bremsen möchte ich an dieser Stelle aber nicht. Es kommt auf das Einsatzzweckbedürfnis an.
Gut gewartet frieren die altbewährten Drahtseilzug-Bremsen nicht ein, was auch für die Schaltungen gilt. Diese wurden bei mir, egal ob Kette oder Nabe (von 3-Gang Torpedo bis zur Rohloff) seltenerweise vielleicht etwas schwergängig und unpräzise. gänzlichen Funktionsausfall hatte ich aber noch nie bis auf einen Kettenriss als 10jähriger in meiner Anfangszeit mir Kettenschaltungen irgendwann in den 80er Jahren.
Ich liebe die Rohloff Speedhub an Mountainbikes, Trekkingbikes, Randonneuren usw. insbesondere mit dem Hebie Chainglider. Aber diese äußerst wartungsarme Luxuskombination hat auch einen stolzen Preis.
Deshalb bevorzuge ich ansonsten für mich als handwerklich geschickter Radfahrer mit kleinem Budget und Liebe für einfache und bewährte Technik nach wie vor die Kettenschaltung. Aus Kosten- und Kompatibilitätsgründen. Eine Nabenschaltung muss ich je nach Fahrleistung und Felgenverschleiß immer ausspeichen und wieder einspeichen (lassen). Das kommt zwar eher seltener vor, kann aber teuer werden. Dagegen gibt es für komplett eingespeichte Hinterräder oder Radsätze am Markt eine sehr große und verhältnismäßig günstige Auswahl.
Nur muss ich eben eine Kettenschaltung viel öfter sorgfältig pflegen, insbesondere im Winter, den Verschleiß der Kette überwachen und diese rechtzeitig regelmäßig tauschen.
RadfahrerInnen müssen selbst abwägen mit welchen Vor- und Nachteilen der verschiedenen Schaltungstypen sie am besten leben bzw. fahren können und wollen.
Beleuchtung
Mein einfacher und günstiger Shimano DH-3N20 hat seit der Anschaffung 2008 jeden Winter und auch einen schweren Unfall überstanden.
Was ich vorschlagen würde, dass mittlerweile ausgereifte LED-Akkubeleuchtung nun endlich nicht mehr einzig nur für Rennräder unter 11kg zugelassen sein darf und auch für andere Fahrräder generell zugelassen werden sollte. Das würde meinem Optimismus nach den Anteil von unsichtbaren Lichtmuffeln auf den Straßen bestimmt senken. Denn viele Radfahrer, die aus Leichtgewichtsgründen oder der Ästhetik ihrer Fahrräder wegen Dynamos, auch bestens bewährte Nabendynamos, ablehnen, würden damit entkriminalisiert werden und der Verkehr sicherer. Ausserdem: Auch Mountainbikes sind Sporträder, die auch in Rennen eingesetzt werden.
Ich selber finde die Reflektoren an Pedalen unsinnig. Wenn diese je nach Fußhaltung auf den Pedalen nicht von Schuhen verdeckt werden, sieht man diese selten gerade nur dann, wenn der Radfahrer auf wenige Meter entfernt sehr nah und ohne eigenes Licht entgegenkommt oder sehr dicht überholt wird. Desweiteren muss das eigene Licht diese kleinsten Reflektoren überhaupt erst einmal erreichen.
An den meisten sicheren und hochwertigen Pedalen müssen Reflektoren desweiteren immer nachträglich angebracht werden. Viel besser sind dagegen Reflektorwesten, die man tagsüber kompakt zusammengefaltet in jede Hosen-, Trikot- oder Jackentasche stecken kann.
Kettenschutz, Radschützer und Gepäckträger
Ich fahre ausser an Nabenschaltungen Fahrräder mit Kettenschaltung konsequent ohne Kettenschutz. Denn gerät trotz Kettenschutz ein Fremdkörper in den Antrieb, kann ich diesen ohne Kettenschutz einfacher und schneller wieder entfernen als mit Kettenschutz. Gegen schmutzige Hosen hilft mir stets ein bewährtes reflektierendes Klettband im Alltag.
Radschützer (alttümlich “Schutzbleche” oder “Kotflügel) möchte ich selbst nicht am MTB missen. Doch überlasse ich jedem selbst, ob er oder sie sein Fahrrad damit ausrüsten möchte. Manchen gefällt es optisch nicht. Die Sicherheit im alltäglichen Straßenverkehr wird aber dadurch nicht gemindert, wenn sie fehlen.
Dies gilt ebenso auch für Gepäckträger. Ich habe lieber mit Ausnahme beim MTB- und Rennradfahren meine bewährten wasserdichten Packtaschen am Gepäckträger als einen Rucksack auf dem Rücken. Für MTB- und lange Rennradfahrten gibt es heute glücklicherweise ausgereifte Fahrradrucksäcke, die sich bei entsprechnder Haltung noch recht angenehm tragen lassen. An heißen Tagen ist insbesondere auf langen Strecken ein Trinkrucksack sehr angenehm.
Aber auch ein Gepäckträger ist kein sicherheitsrelevantes oder alltagstauglichkeitsgarantierendes Anbauteil an einem Fahrrad.
Fahrrad vs. Auto
Seit ich mich selbst mit der Fahrradtechnik zunehmend autodidaktisch auseinandergesetzt habe mit Hilfe von Fachliteratur und praxiserfahrenen Freunden, muss ich nur noch selten mit meinen Rädern Werkstätten aufsuchen.
Dazu hatte ich in der Vergangenheit leider nicht nur ein Auto schon besessen, dass schon im ersten Jahr öfters in die Werkstatt mußte oder an einem Winter mal nicht funktionierte.
Ein absolutes No-Go sind für mich jedenfalls die gefährlichen Klotzbremsen, die man noch an alten Hollandrädern teilweise im Flachland entdecken kann. Diese positiv hervorzuheben finde ich sehr bedenklich und betrachte sie genauso kritisch wie ebenso den Trend zu den bremsenlosen sogenannten Fixie-Bikes, die aktuell parallel zu den bisher geschickt als “Singlespeed” neuvermarkteten Fahrrädern ohne Schaltung verkauft oder selbst aufgebaut werden.
Vielleicht Themenfremd, aber muss die Seite vom ADFC Köln (adfc-koeln.de) wirklich so schrecklich aussehen? Sollte das nicht an das allgemeine Aussehen des ADFC angepasst werden?
Darf ich auf mein Gebrauchsmuster “Fahhrad ohne Kette” hinweisen?!
Schutz ist schon abgelaufen. Darum aber noch interessanter!!!!!!!!!!!
Ist wäre ein ideales Alltagsfahrrad.
Gruß
Schmidt Wiesbaden