Neulich hatte ich hier einen Artikel geschrieben, über eine Straße und wie unterschiedlich sie in drei Städten aus der Sicht eines Radfahrers aussehen kann.
Das hätte ich so nicht tun dürfen, meint jedenfalls die Stadt Castrop-Rauxel und fühlt sich in ihrer Ehre getroffen. Ich hatte geschrieben „Castrop-Rauxel tut nichts – nicht fahrradfreundlich“. Es spricht ja nicht gerade gegen die Fahrradfreundlichkeit einer Stadt, wenn sie sich von einer kleinen Bemerkung so getroffen fühlt. Castrop-Rauxel legt großen Wert auf die Feststellung, dass auch eine Stadt, die nicht Mitglied ist in der AGFS, fahrradfreundlich handeln kann. Castrop-Rauxel tut nämlich etwas und hat auch schon etwas getan. Dasselbe wie Dortmund übrigens: Südlich der Innenstadt von Castrop-Rauxel hat die B235 bereits Radfahrstreifen und die werden in einem zweiten Bauabschnitt bis zur Stadtgrenze Dortmund weitergeführt.
Der Augenschein macht deutlich: Castrop-Rauxel zeigt sich bemüht, erreicht das Klassenziel „fahrradfreundlich“ aber nicht.
Städte, die sich selber glauben machen wollen, sie würden jetzt fahrradfreundlich, glauben gerne, es würde reichen, wenn sie irgendein Element fahrradfreundlicher Verkehrsplanung irgendwie an irgendeiner Stelle auf die Straße bringen.
Leider hat das mit fahrradfreundlich wenig zu tun und die Selbsttäuschung in Politik und Verwaltung solcher Städte ist groß.
Der Unterschied zwischen fahrradfreundlich und pseudo-fahrradfreundlich wird schnell klar, wenn man sich an einer übergeordneten Straße die Linksabbiege-Beziehungen von Radfahrern in und aus den Nebenstraßen ansieht: Nur wenn alle diese Verkehrsbeziehungen aus der Sicht eines Radfahrers sauber und sicher durchgeplant worden sind, kann man die Straße als fahrradfreundlich bezeichnen. Wenn es beim Linksabbiegen harpert, war die Planung leider nicht ausreichend. Nicht alle Radfahrer fahren nur geradeaus.
Der direkte Vergleich der B235 in Castrop-Rauxel mit dem Regelquerschnitt, den Dortmund für die Provinzialstraße gewählt hat, zeigt die Defizite:
- Der durchgehende Mittelstreifen mit den Querungshilfen fehlt. Der Mittelstreifen ist wichtig für Linksabbieger, Radfahrer und Fußgänger.
- In Dortmund sind die Fahrstreifen an keiner Stelle breiter als 3,25 m. Breitere Fahrstreifen, wie in Castrop-Rauxel, führen zu überhöhten Geschwindigkeiten des Kfz-Verkehrs und gefährden Radfahrer, die Ziele auf der linken Straßenseite erreichen wollen. Der fehlende Mittelstreifen wirkt sich dann doppelt negativ aus.
- Der Trennstreifen zwischen Radfahrstreifen und Parkstreifen fehlt. Das ist nicht verboten, entspricht aber nicht den ERA 2010. Der Trennstreifen gehört übrigens nicht zum Verkehrsraum des Radfahrers, sondern gehört zum Flächenbedarf eines parkenden Kfz.
- Die Breite des Radfahrstreifens ist nicht einheitlich. Auch an schmalen Stellen werden Kfz auf dem Gehweg geparkt. Das darf nicht sein.
- An Kreuzungen mit Ampeln gibt es keine Aufstellflächen für indirekt linksabbiegende Radfahrer, erst recht nicht mit automatischer Grün-Anforderung per Induktionsschleife.
- An Einmündungen von Nebenstraßen gibt es keine nachvollziehbare Verkehrsführung für linksabbiegende Radfahrer, weder in die Nebenstraße, noch aus der Nebenstraße.
Schade, dass Castrop nicht in Dortmund zur Schule gegangen ist. Ich hatte Castrop-Rauxel um eine Stellungnahme zu dieser Kritik gebeten – bis jetzt leider ohne Antwort.
Wie war das noch mal? – Man ist nicht im Arbeitskreis der “Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundliche Städte, Gemeinden und Kreise in NRW” weil man fahrradfreundlich ist, sondern es noch werden will!