Immer wieder gefordert: Die Kennzeichenpflicht für Fahrräder, um der “Kampfradler” habhaft zu werden. Und gern wird in diesem Zusammenhang auf die Schweiz verwiesen. Ein beliebtes Missverständnis.
Das Motiv für das Schweizer Blechschild, seit 1989 ersetzt durch die Velovignette war kein ordnungspolitisches, sondern ein versicherungshistorisches. Anders als in Deutschland deckten die Schweizer Haftpflichtversicherer ursprünglich keine Schäden ab, die der Versicherungsnehmer mit dem Velo verursacht hatte. Deshalb hatte der Velocipist separat für eine Velo-Haftpflichtversicherung zu zahlen, und das Schild bzw. später die Vignette am Rad dienten als Versicherungsnachweis.
Anhand der Nummer auf der Vignette konnte der Fahrer nicht identifiziert werden. Die Vignette wurde bei der Bahn, der Post, in einem Supermarkt oder einem Fahrradgeschäft für ein paar Franken erworben und ans Rad geklebt. Personendaten wurden beim Verkauf der Vignette nicht erhoben.
War das Rad eines Schädigers nicht versichert, sprang der Nationale Garantiefonds zugunsten des Geschädigten ein.
Inzwischen verfügt die weitaus überwiegende Zahl de Schweizer über eine Privathaftpflichtversicherung, die grundsätzlich auch Schäden abdeckt, die mit dem Fahrrad verursacht worden sind. Da außerdem die Kosten des Velovignetten-Systems in keinem vernünftigem Verhältnis zu seinem Nutzen standen, beschloss der Schweizer Gesetzgeber 2010, die Vignettenpflicht mit Wirkung ab 1. Januar 2012 aufzuheben. Und so ist es jetzt auch gekommen.
Wenn denn die Identifizierungsmöglichkeit über Kennzeichen zu einem Rückgang von Verkehrsdelikten führen soll, dann dürfte es schon heute nicht das alltägliche Phänomen von Rotlichtverstößen, Unfallflucht, Geschwindigkeitsübertretungen usw. durch Kraftfahrer geben. Das Gegenteil ist der Fall …