Mehr Kampfradler!

Das Sommerloch ist noch nicht da, aber die Schlacht auf unseren Straßen beherrscht die Schlagzeilen. Die Polizei sieht “das Verantwortungsbewußtsein und die Moral der Fahrer auf dem Tiefpunkt” (Polizeidirektor Günther Overbeck, Dortmund).

Zugeparkte Einfahrt in die freigegebene Einbahnstraße

Zugeparkte Einfahrt in die freigegebene Einbahnstraße.

Die Rede ist allerdings nicht von Radfahrern, sondern von Autofahrern. Der “Volkssport Unfallflucht” macht der Polizei wirkliche Sorgen – besonders im Ballungsraum Ruhrgebiet. Stark zugenommen hat die Zahl der Fälle, bei denen Menschen verletzt oder sogar getötet wurden. In Essen wurde ein Mann auf dem Nachhauseweg an einem Zebrastreifen überfahren, 25 Meter mitgeschleift und verblutend liegen gelassen. Die Essener Polizei ermittelte sechs Monate, bislang ohne Ergebnis.

Aber nicht nur Autofahrer verhalten sich so. Vor wenigen Tagen wurde in Essen ein fünfjähriges Mädchen von einem Radfahrer – auf dem Gehweg! – überfahren. Der Radfahrer ist über den Brustkorb des Kindes gefahren und hat sich aus dem Staub gemacht, ohne sich um das Opfer zu kümmern. Das Mädchen musste zur stationären Behandlung ins Krankenhaus.

Dem kann man nicht tatenlos zusehen. Wir brauchen mehr Kampfradler – Radfahrer, die sich engagiert für einen menschlichen Verkehr einsetzen. Nahmobilität ist das Stichwort. Mobilität, die auf Muskelkraft basiert und damit das menschliche Maß fest eingebaut hat. Fußgänger und Radfahrer müssen endlich im Mittelpunkt der Verkehrsplanung stehen und die Straßen zuerst aus ihrer Sicht geplant werden.

Zugeparkter Gehweg

Radfahrer frei- oder doch: Parken nach Belieben?

Noch aber haben die Kampfgeräte der Autofahrer vielerorts Vorrang, auf den Straßen, die sie parkend verstopfen, und in den Köpfen der verantwortlichen Politiker und Verkehrsplaner, die nichts so sehr fürchen, wie den Aufstand der Wutbürger angesichts eines gefährdeten Autostellplatzes im öffentlichen Straßenraum. Legal, illegal, scheißegal, Hauptsache Parkplatz.

In Bochum hat die Verwaltung nach eigener Aussage längst vor den Autofahrern kapituliert. Man geht gar nicht mehr davon aus, gegen das illegale Parken irgendetwas ausrichten zu können. Eingaben wegen Behinderung udn Gefährdung von Radfahrern durch verbotswidriges Parken auf Gehwegen und Radwegen werden abgewiesen: kein Handlungsbedarf. In Wirklichkeit steht die Angat vor dem Konflikt mit den Autobesitzern dahinter. Lieber nimmt man die Gefährdung der Fußgänger und Radfahrer billigend in Kauf.

Selbst wenn Landes- und Bundesmittel zur Verfügung stehen, lehnt eine Stadt wie Bochum einen Bürgerantrag, der eingestandenermaßen eine deutliche Verbesserung der Verkehrssituation zur Folge hätte, ab: Parkplätze auf dem Gehweg und der Fahrbahn wären möglicherweise gefährdet. Da sollen lieber Menschen das Opfer sein, als Autos.

Kampfradler sind gefragt. Radfahrer, sie sich konsequent und mutig für die Belange der Menschen auf den Straßen einsetzen. Kampfradler verteidigen die Menschenrechte, das Grundgesetz und die Straßenverkehrsordnung gegen den Moloch Auto:

(1) Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht.
(2) Jeder Verkehrsteilnehmer hat sich so zu verhalten, daß kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.
(StVO §1)

Was meinen Sie, Herr Ramsauer?

Über Klaus Kuliga

Seit 33 Jahren Arbeit an demselben Projekt: Aus Bochum eine fahrradfreundliche Stadt machen. Eine fahrradfreundliche Stadt ist eine Einladung zum Rad fahren. Immer, überall, für jeden.
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3 Antworten zu Mehr Kampfradler!

  1. AndiP sagt:

    In Recklinghausen und Marl sieht es nicht anders aus. Zugestellte und zugeparkte Rad- und Gehwege obwohl genügend Parkplätze vorhanden sind. Das Ordnungsamt sagt “Wir kontrollieren, soweit der Dienstplan dies zulässt” und die Polizei nimmt Verkehrssicherheit nicht so wichtig und fährt an Falschparkern einfach vorbei…

  2. Pingback: „Legal, illegal, scheißegal, Hauptsache Parkplatz“ | Radverkehrspolitik.de

  3. Anzeigender Radler sagt:

    In Hamburg geht die Verteidigung des behindernden Parkens sogar so weit, dass die Polizei sich weigert, gegen Autofahrer vorzugehen, die täglich an denselben Stellen auf dem Gehweg parken! Das gilt nur für Wohngebiete, in Geschäftsstraßen wird schon mal abgezettelt.

    Also helfe ich mir selbst: Die Kamera immer dabei, ein schnelles Foto gemacht und ab geht die Anzeige im PDF-Format an die Bußgeldstelle. Nach ein paar Wochen sieht man schon Erfolge. ;-)

    Weg mit Autopest! Der Kampf geht weiter…

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