Die Leute sterben nicht mehr im Auto, sondern davor.

Verkehrsunfallbilanz 2012: Mehr Radfahrer sterben.

Die Unfallstatistik 2012 ist veröffentlicht. Nachdem 2011 im Straßenverkehr erstmals seit vielen Jahren wieder mehr Personen getötet wurden als im Vorjahr, gingen die Zahlen 2012 wieder zurück. Verglichen mit 2011 zeichnet das ein positives Bild, verglichen mit 2010 ist die Verbesserung klein (2010: 3648, 2012: 3606, minus 1,2 %).

Die Polizei begründet die Gesamtentwicklung mit den Witterungsverhältnissen des Jahres 2012: Bei insgesamt schlechterem Wetter ereignen sich meist mehr Unfälle, es bleibt aber häufiger bei Sachschaden, da nicht so schnell gefahren wird. Zudem sind bei schlechtem Wetter weniger ungeschützte Verkehrsteilnehmer wie Zweiradfahrer und Fußgänger unterwegs.
(Quelle: destatis)

In Köln stellte der Polizeipräsident bei der Analyse der Unfallzahlen aber fest:
“Zunehmend sterben die Leute nicht mehr im Auto, sondern davor.” In Köln waren von den 23 Verkehrstoten 15 Fußgänger und 5 Radfahrer. Zugleich waren 15 der Getöteten älter als 65 Jahre.
(Quelle: sternfahrt-köln)

In Berlin zeigt sich ein ähnliches Bild:
2012 hat die Polizei in Berlin 15 getötete Radfahrer gezählt. Nur 2003 war die Zahl höher, damals wurden 24 Radler getötet. Der Zehnjahresrückblick zeigt aber erhebliche Schwankungen bei den Zahlen: 2005 hatte es sieben Tote gegeben, 2010 waren es sechs und 2011 elf. Die Gesamtzahl der Verkehrstoten in Berlin war 2012 aber auf den niedrigsten Stand seit 1949 (42 Tote gegenüber 54 in 2011). Der Anteil der Radfahrer unter den Verkehrsopfern hat sich in Berlin im Vergleich zum Vorjahr also fast verdoppelt: von 20 auf 36 Prozent.
Knapp die Hälfte der getöteten Radfahrer in Berlin hat den Unfall selbst mit verursacht – nach einer Statistik des Tagesspiegels waren 7 der 15 Verstorbenen mit schuld an dem Unfall – indem sie den Gegenverkehr missachteten oder eine rote Ampel überfuhren. Die häufigste Unfallursache sind rechtsabbiegende Lastwagen: In diesem Jahr starben allein fünf Radfahrer auf diese Weise. Ein Radler wurde von einem Linksabbieger getötet, einer durch eine sich öffnende Autotür. Ein 57-Jähriger – ein Polizist – wurde von einem betrunkenen Raser angefahren und getötet. Die Getöteten waren zwischen 21 und 80 Jahre alt.
(Quelle: Tagesspiegel)

Bemerkenswert ist die parallele Entwicklung in Österreich:  2012 wurden dort 522 Personen getötet, eine weniger als 2011. Die Zahl der getöteten Radfahrer ist aber gegenüber 2011 von 42 auf 50 gestiegen, wobei die Polizei 31 Radfahrern die Hauptschuld an dem Unfall gibt.
(Quelle: Die Presse)

In NRW ist die Zahl der tödlichen Unfälle mit Fahrradfahrern 2012 gegenüber 2011 insgesamt um 17 Prozent gestiegen. Innenminister Jäger will daraus Konsequenzen ziehen: “Wir werden daraus ein sehr gezieltes Konzept aus Aufklärung, Vorbeugung und Kontrolle entwickeln, um die Radlerinnen und Radler besser zu schützen. Wir wollen, dass mehr Menschen das umweltfreundliche Fahrrad nutzen. Und deshalb müssen wir es so sicher wie möglich machen.”
(Quelle: MIK)

Über Klaus Kuliga

Seit 33 Jahren Arbeit an demselben Projekt: Aus Bochum eine fahrradfreundliche Stadt machen. Eine fahrradfreundliche Stadt ist eine Einladung zum Rad fahren. Immer, überall, für jeden.
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3 Antworten zu Die Leute sterben nicht mehr im Auto, sondern davor.

  1. Robert Hildebrand sagt:

    Die steigende Anzahl bei Verkehrsunfällen getöteter Radfahrer bei gleichzeitigem Anstieg selbstverschuldeter Unfälle der Radfahrer mit und ohne Todesfolge ist doch wieder Wasser auf die Mühlen von Herrn Ramsauer in betreff auf Kampfradler. Es sollte aber auch den ADFC zu denken geben, denn die Kampfradler und andere Radfahrer, die permanent gegen Verkehrsregeln verstoßen, gibt es leider mehr als genug. Ich seh das doch selber als begeisteter Radfahrer, wenn ich an einer roten Ampel halte und drei Radfahrer an mir vorbei über die Kreuzung radeln etc. Man braucht doch bloß mal mit dem Fahrrad durch die Innenstädte zu radeln und mit offenen Augen die anderen Radfahrer zu beobachten, wie sie sich verhalten…..

    • Alfons Krückmann sagt:

      Da eröffnet sich ja offenbar ein breites Feld für eine “Radfahrer sind selbst Schuld” Kampagne.

      Ein paar Gedanken dazu:
      Die Abweichungen gegenüber den letzten Jahren liegen im normalen Bereich witterungsbedingter Unterschiede. 2011 war ein “Ausreisserjahr”, das nicht zum Vergleich taugt.
      Insofern: statistisch wenig Neues. Die Zahl der Personenschäden ist in etwa gleichgeblieben, die durch Unfälle getöteten sind zum Glück wieder etwas weniger geworden.

      Auf Seiten des MIV:
      – Die passiven Sicherheitssysteme der Autos sind perfektioniert worden. Das führt natürlich dazu, dass Autoinsassen sicherer unterwegs sind und die Zahl von getöteten Radfahrern/Fussgängern in RELATION als stark steigend dargestellt werden kann. Die Zahl der getöteten Radfahrer ist aber seit Jahren in etwa konstant. Die Zahl der verunglückten Personen ebenso.
      -Die Autos sind hochgerüstet worden mit mehr PS, mit ABS, EPS, Xenon Scheinwerfern, etc., was dazu führt dass in immer mehr Situationen schnell gefahren wird. Die grobe Mißachtung des Sichtfahrgebots ist immer noch allgemein akzeptierte Verhaltensweise. Ein Hauptgrund für das unverminderte Sterben vor/neben dem Auto.
      Auf der Seite des Radverkehrs:
      – tödlich verunglückt sind vor allem ältere Radfahrer/innen (65+), die eben nicht zur Gruppe der “Rüpelradler” gehören, sondern eher zur Gruppe der regeltreuen Radwegebenutzer.
      – Unsere fahrradfreundlichen Kommunen haben immer mehr (benutzungspflichtige) Radverkehrsanlagen gebaut. Seit nunmehr Jahrzehnten ist bekannt, dass dadurch ein trügerisches Sicherheits-GEFÜHL entsteht, während de facto das Unfallrisiko deutlich ansteigt.
      – Leider werden immer mehr Radverkehrsanlagen auch noch linksseitig benutzungspflichtig gebaut. Kein Wunder, dass immer mehr “Geisterfahrer” unterwegs sind. Linksverkehr im allgemeinen Rechtsverkehr ist immer brandgefährlich, auch wenn er benutzungspflichtig vorgeschrieben wird. Auch verkehrspädagogisch ist die amtliche Verordnung des Linksverkehrs eine widersinnige Erziehung zum gefährlichen Falschfahren.
      Leider wird in den Statistiken die “Benutzung der falschen Fahrbahn” immer noch nicht differenziert. Es ist m.E. davon auszugehen, dass die links fahrenden “Geisterfahrer” einen großen Teil dieser Gruppe ausmachen.

      Und was das Fahren bei Rot angeht: nach wie vor sind die Ampelschaltungen – welche im übrigen nur wegen der Autos notwendig sind – nahezu überall ausschliesslich auf den MIV ausgelegt. Wer angemessen vorankommen will braucht schon SEHR starke Nerven um IMMER bei rot zu anzuhalten. Zudem passieren die oft schwerwiegenden Abbiegeunfälle meist wenn der Radfahrer grün hat, unsichtbar auf dem Radweg unterwegs ist, und das rechtsabbiegende Auto dann hineinbeschleunigt.

      Die vielen tragischen Unfälle auch noch zu instrumentalisieren und den “Rüpelradlern” die Schuld zu geben ist nicht nur – den Opfern gegenüber – menschenverachtend zynisch, sondern geht m.E. voll an der Sache vorbei.
      Wie soll ich mir das denn vorstellen?
      Dreiste 65 jährige Kampfradlerin rammte mit 10 Kmh mutwillig den SUV und machte den arglos träumenden Fahrer heimtückisch zum unschuldigen Täter?

      Und nicht zu vergessen:
      Die Unfallzahlen sind nur die kleine Spitze des Eisbergs. Jährlich sterben allein in Deutschland viele 10.000 BürgerInnen an den Folgen des Autoverkehrs durch Abgas und Lärm.
      Insofern ist jeder Autofahrer ein lebensgefährdender Rüpel, auch wenn er nicht noch zusätzlich einen Unfall verursacht.

      Da sind mir die nervigen “Rüpelradler” aber deutlich lieber!
      Wenn ich mit offenen Augen durch die Stadt fahre und beobachte wie leichtsinnig sich einige andere Radfahrer regeltreu auf gefährlichen benuztungspflichtigen Radwegen bewegen ohne bei eigenem “Grün” auf die Autos zu achten, … …

      • Kai sagt:

        Alles richtig. Ergänzend möchte ich noch hinzufügen, dass bei Radfahrern als einzige Verkehrsteilnehmergruppe eine unsinnige und vorverurteilende “Verursacher” Statitik geführt wird. Der Quatsch wird oben von Klaus leider unkritisch übernommen.

        Würde man das gleiche bei Autofahrern machen, hätte man Quoten von 80% bis 90% Verursacher, da die meisten Unfälle zwischen zwei Autos passieren, also bei den meistn Unfällen immer ein Autofahrer Verursacher ist. Merke: Verursacherstatistiken sind nur da sinnvoll, wo Paare betrachtet werden, also z.B. Rad-Auto oder Rad-Fussgänger. Alles andere sind mal wieder rhetorische Stillmittel zur Radfahrergängelung.

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