Wer schnell und aggressiv Rad fährt, fährt offensichtlich auch besonders aufmerksam. So erklären Experten die vielen tödlichen Unfälle von Frauen und Senioren auf dem Fahrrad. Anders als man vielleicht erwarten würde, ist das Unfallrisiko für die als „Kamikaze-Fahrer“ verschrienen jungen Männer niedriger als für Senioren, die als besonders vorsichtig gelten.
Frauen und Senioren verunglücken häufiger und schwerer. Sie fahren zwar sehr vorschriftsmäßig, aber weniger aufmerksam und wohl vor allem mit weniger Gespür für die tatsächlich gefährlichen Situationen.
Blindes Vertrauen auf die Verkehrsregeln, gepaart mit längeren Reaktionszeiten, weniger Beweglichkeit und eingeschränktem Gesichtsfeld erhöhen das Unfallrisiko.
Subjektive und objekive Sicherheit klaffen besonders weit auseinander, wenn von der Fahrbahn abgesetzte Bordsteinradwege über Kreuzungen geführt werden.
In Berlin war in den letzten fünf Jahren jeder zweite getötete Radfahrer älter als 55 Jahre, ein Dittel war über 65.
Mit Abstand die meisten Todesopfer gab es bei Abbiegeunfällen: 21 von 55. Zwei Drittel davon waren Frauen. Noch höher war der Frauenanteil bei den besonders gefährlichen Unfällen mit rechts abbiegenden LKW: 12 von 16, also drei Viertel.
Zugleich geschahen 11 der tödlichen Unfälle mit rechts abbiegenden LKW auf Bordsteinradwegen mit abgesetzter Führung.
Bestmögliche Sichtbeziehungen zwischen rechts abbiegenden Kraftfahrzeugen und geradeaus fahrenden Radfahrern sind also lebensrettend. Die Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA 2010) fordern für Bordsteinradwege ganz klar:
Um die Erkennbarkeit der Radverkehrsführung zu erhöhen, sind folgende Maßnahmen notwendig:
- Markierung von Schutzstreifen und Furten im Zuge der übergeordneten Knotenpunktarme oder
- Radwegüberfahrten an untergeordneten Knotenpunktarmen
oder- Führung von Radwegen im Blickfeld der Kraftfahrzeuge 0,50 m abgesetzt von der Fahrbahn.
Noch besser ist allerdings der frühzeitige Übergang von Bordsteinradwegen in Radfahrstreifen, mindestens 15 Meter vor der Kreuzung. An Kreuzungen mit Lichtsignalen (Ampeln) sollten Radfahrer sich deutlich vor den Kraftfahrzeugen aufstellen können:
- Schutzstreifen, Radfahrstreifen oder Radwege zum Vorbeifahren an wartenden Kraftfahrzeugen
- Fortführung des Schutzstreifens im Knotenpunktbereich
- Furtmarkierungen im Zuge von Radwegen und Radfahrstreifen
- vorgezogene Haltlinien
- Verzicht auf freie Rechtsabbieger für den Kraftfahrzeugverkehr
Für untergeordnete Straßen oder Abbiegestreifen mit kurzen Grünphasen
fordern die ERA ebenfalls Schutzstreifen oder Radfahrstreifen zum Vorbeifahren, kombiniert mit aufgeweiteten Radaufstellstreifen vor den Kraftfahrzeugen. (ERA 2010, S. 43)
Sofortiges und konsequentes Handeln – streng nach ERA 2010 – ist das oberste Gebot für die Straßenverkehrsbehörde, wenn es einen schweren Unfall gegeben hat.
Die ADFC-Analyse der tödlichen Radfahrerunfälle in Berlin und die Schlussfolgerungen daraus im Berliner Tagesspiegel:
Tagesspiegel: Senioren und Frauen radeln gefährlich
Tagesspiegel: Warum Radler unter die Räder geraten
Wer schnell und aggressiv Auto fährt, fährt auch besonders aufmerksam.
Deshalb freie Fahrt für Mercedes- und Kampf-Radler!
… und Tempo-30 für alle natürlich.
“Sofortiges und konsequentes Handeln – streng nach ERA 2010 – ist das oberste Gebot für die Straßenverkehrsbehörde, wenn es einen schweren Unfall gegeben hat.”
Dann ist’s leider zu spät
… aber früh genug, um dem nächsten Unfall zu verhindern.
In vielen Fällen war die Unfall-RVA bereits “streng” nach ERA gebaut. Und jetzt?
Passend dazu:
Münster testet seit heute als erste Stadt in Deutschland Spiegel an Ampeln, die Radfahrer für Autofahrer sichtbar machen sollen:
http://www.spiegel.de/reise/aktuell/muenster-spiegel-an-ampeln-soll-radfahrer-retten-a-889101.html
Die Idee stammt aus den Niederlanden. Holland hat kaum Radfahrstreifen, wie Münster.
Zitat: “Bestmögliche Sichtbeziehungen zwischen rechts abbiegenden Kraftfahrzeugen und geradeaus fahrenden Radfahrern sind also lebensrettend.” Solche Sprüche gibt es schon seit vielen Jahren und immer noch wird trotz vieler verunfallter Radfahrer dieser Unsinn geglaubt. Leider ist bei einigen ADFC-Vertretern der Unterschied zwischen “guter Sichtbeziehung” und “Wahrnehmung” noch nicht angekommen. Wer sagt denn, dass die Sichtbeziehung zwischen abbiegenden KFZ und geradeausfahrenden Radfahrer bei den genannten Unfällen schlecht war?
Man muss als KFZ-Führer auch den Radfahrer wahrnehmen und da ist es seit langem bekannt, dass das nur beim Fahren auf der Fahrbahn der Fall ist. Alles was sich in den Seitenräumen bewegt wird kaum wahrgenommen (warum auch?) egal wie gut oder schlecht die “Sichtbeziehung” ist.
Auch fällt Klaus hier auf die ERA herein. Als Vertreter der Radfahrer sollte man sich immer ein Menge kritischer Distanz bewahren, vorallem gegenüber einem Machwerk, dass ausdrücklich nicht die Sicherheit der Radfahrer zum Ziel hat, sondern allenfalls die “subjektive Verkehrssicherheit”. Außerdem ist die ERA eine Straßenbaurichtlinie, die Schnelligkeit und Flüssigkeit des (Auto-)Verkehrs zum Ziel hat.
Advocatus diaboli mode on: These – Kampfradler sterben durchschnittlich eher an Herzinfarkt oder Schlaganfällen als andere Radfahrer.
Ich würde mich sicher auch in die Hälfte der aggressiveren Radfahrer einordnen, scheue auch wenig Straßenverkehr, aber ich merke auch, dass es mich mentale Kraft kostet, dass ich wahrscheinlich mit einem höheren Blutdruck unterwegs bin, mit mehr Adrenalin als andere. Weil es eben doch ein Kampf ist, sich auf der Straße zu behaupten, oder auch weil man auf diese Art schneller an Hemmnisse gerät (langsamere Radfahrer, Fussgänger, Falschparker …), was dann wiederum auf die Nerven gehen kann.
Kann auch Quatsch sein, schließlich tue ich meinem Körper ja auch etwas gutes, aber ich kann mir eben schon vorstellen, dass es auch einen teilweise negativen Effekt haben kann, auf diese Art unterwegs zu sein.
Hallo,
richtig ist, wer sich strikt an Verkehrsregeln hält und vor allem auf sie vertraut lebt sehr gefährlich. Senioren und Frauen stellen hier rein statisch eine besonders gefährdete “Risikogruppe” (Formulierung der Polizei) da. Zu wenig Berücksichtigung findet dabei aber auch ihr erhöhter Anteil an Rad fahrenden Verkehrsteilnehmern. Auch wird zu wenig berücksichtigt, dass die Notfall-Medizin bei Jüngeren besser greift. Wer die ersten 48 ( z,T.auch 24) Stunden am Leben gehalten wird, taucht nicht mehr als Todesopfer in der Statistik auf!
Die Lösung kann jedenfalls nicht sein, besonders aggressiv zu fahren. Es müssen bessere Radwege her und vor allem die Benutzungspflicht entsprechend der rechtlichen Vorgaben endlich aufgehoben werden.
Die ERA sind hierfür übrigens keine geeignete Grundlage. Sie eignen sich als technische Richtlinien nicht zur Überprüfung der Benutzungspflicht, In einigen Punkten, wie der Gestaltung von außerörtlichen Knotenpunkten stehen die ERA den Sicherheitsinteressen der Radfahrer und auch der StVO völlig entgegen.
Gunter
Meiner Meinung sind es vor Allem Autofahrer, die für die Unfälle verantwortlich sind gepaart mit dem blinden Vertrauen der Radler, die meinen, Autofahrer machen keine Fehler, weil sie genauso gut aufpassen wie man selbst.
Das hat nichts mit einer aggressiven Fahrweise zu tun, weil Jüngere in der Lage sind Situationen besser zu überblicken und schneller zu reagieren.
Technische Hilfsmittel könnten aber tatsächlich helfen und ich bin auf jeden Fall dafür.
ganz offensichtlich ist es doch so dass sehr viele Kommunen technische Regelwerke wie die ERA und auch gesetzliche bestimmungen einfach ignorieren und damit die Radfahrer in die Todesfallen lotsen/zwingen (Radwegbenutzungspflicht). Solche Kommunen sind schlicht und einfach als Kampfkommunen zu brandmarken, denn diese machen genau das was angeblichen Kampfradlern vorgeworfen wird:
Regeln ignorieren, andere gefärden.
Noch besser?
Es kommt wohl auf den Blickwinkel an. Schlecht ist eben besser als sehr schlecht.
Anstatt an den Folgen des Problemes herumzudoktort, sollte man das Problem beseitigen. Und das sind nicht schlechte Radwege sondern die Separation an sich. Verhält man sich als Radfahrer wie die Mehrheit der Fahrzeugführer, wird man zwar gerne als Rüpelradler tituliert aber deutlich seltener umgefahren.
Aber anstatt das Fahrbahnfahren zu unterstützen, soll lieber die Radverkehrtführung vergoldet werden.
Verstehe ich das richtig, dass auch FRAUEN anscheinend
haben?
Ich (eine Frau) würde sage, bei Frauen ist es zum einen das blinde Vertrauen in die Verkehrsregeln gemeinsam mit einer unsicheren Fahrweise.
Geringes Selbstbewusstsein und die damit verbundene Unsicherheit führt zu einer Fahrweise die definitiv am Ende gefährlicher ist als eine sichere Fahrweise die unsinnige Regeln ignoriert.
Ich bin selbst erfahrene (Rüpel)-Radlerin, fahre nur auf Radwegen die den Namen verdienen, ignoriere rote Fußgängerampeln bei leeren Straßen und – lebenswichtig – mache immer einen Schulterblick bei Kreuzungen, ob nicht doch ein Auto von rechts kommt. Einige Vollbremsungen mit bockendem Fahrrad haben mich schon mehrmals vor einem Unfall gerettet. Die meisten “Rüpel”-Radler fahren auch nicht rücksichtslos, sondern eher vorausschauend und auch rücksichtsvoll, was man vorn einigen die auf ihren Regeln bestehen nicht behaupten kann. Die Regeln für Radfahrer sind zum großen Teil unsinnig und gehören dringend überarbeitet!
Vor allem die Regelung, dass Kinder bis 8 auf Fußwegen fahren MÜSSEN und Eltern auf der Straße. Das ist total hirnrissig und führt bei regelkonformer Fahrweise dazu, dass das Kind auf dem (nur links vorhandenen) Fußweg fährt, das Elternteil rechts auf der Straße. Wenn das Kind links auf die Straße fährt, kann man als Eltern nur zusehen wie das Kind überfahren wird ohne eine Chance zu haben einzugreifen. Ich lehne es ab so zu fahren, meine Tochter fährt mit mir je nach Gegebenheit entweder auf dem Fußweg, dem Radweg oder bei gering befahrenen Straßen auf der Fahrbahn. Ich bin für ihre Gesundheit und ihr Leben verantowrtlich und da sind mir dir irrsinnigen Regelungen sowas von schnuppe! Ich wäre auch bereit mit einem Polizisten darüber zu diskutieren – das Strafgeld wäre es mir wert! Bitte lieber ADFC, tut mal etwas bei dieser Regel, die ist lebensgefährlich und sinnlos! Kinder unter 8 müssen das Recht haben, mit ihren Eltern auf Radwegen zu fahren, genauso wie Eltern das Recht haben müssen, rücksichtsvoll mit ihren Kids auf dem Gehsteig zu fahren, so lange dieser nicht grad proppevoll mit Fußgängern ist. Das Argument “dann schieben sie doch”, ist für Eltern mit “richtig radfahrendem Kind” (= das Rad auch für das Kind ein Fortbewegungsmittel und kein Spielzeug) so was von praxixfern und sinnlos und da würde ich auch jederzeit diskutieren und protestieren!
Mal davon abgesehen, den einzigen Unfall den ich je hatte war mit einer anderen Radlerin, die an einer Engstelle die Balance verloren hatte und mir ins Rad, bzw in die Anhängerkupplung gefallen ist. Mein Hinterrad war danach komplett dahin, aber uns beiden ist nix passiert.
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Wenn zwei Ruepel aufeinander treffen, lebt hoechstwahrscheinlich der besser gepanzerte laenger…
Dies sehe ich nicht ganz so: bei zwei Verstössen:
1) Geisterradeln auf Radweg
2) Gehwegradeln sind diese 2 Gruppen
meiner Meinung nach (nein ich habe keine Statisitk, die dies belegt) überproportional im Vergliech zu ihrem Anteil an den Radlern vertreten
dies hingegen ist korrekt, gerade für die 2 o.g. Verstöße, die besonders risikobehaftet sind, und oft gerade von diesen Gruppen aus fehlerhaften Gespür für die tatsächlich gefährlichen Situationen – dem Irrglauben sie wären dort sicherer als auf der Fahrbahn.
Aus dieser Statistik lässt sich wohl schließen: Nur aggressives Fahrverhalten schützt mich vor Unfällen, weil ich konzentrierter bin beim Fahren. Wer schützt dann aber die anderen Verkehrsteilnehmer? Ich muß sagen, daß ich einigermaßen empört bin, daß im obigen Artikel das Verkehrsrowdietum von Radfahrern auch noch salonfähig gemacht wird. Wie oft erlebe ich als Fußgänger hier in Köln, daß Radfahrer sich mit einer unglaublichen Aggressivität durch die Stadt bewegen und dann noch frech bis beinahe handgreiflich werden, wenn man sich beschwert.
Was ist das überhaupt für eine Statistik? Das statistische Bundesamt führt ganz klar auf, dass Frauen weniger Fahrradunfälle haben! Siehe https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/TransportVerkehr/Verkehrsunfaelle/PK_Unfallentwicklung_PDF.pdf?__blob=publicationFile Seite 30 und http://www.ace-online.de/fileadmin/user_uploads/Der_Club/Dokumente/ACE_Aktionen/2011_Bike_heroes/Fahrrad_Unfaelle_Studie.pdf Seite 12.
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Ich bin leidenschaftlicher Kampffahrer :)
Wenn ich auf dem Fahrrad bin, dann fühle ich mich Frei. Wenn ich im Auto bin, dann bin ich gefangen im Schwarm mit tausend anderen.
Den täglichen Adrenalin Schub hole ich mir auf dem Weg zur Arbeit. Der Kampf zwischen Kampf-Handy-Usern, den neuen Blinden Verkehrsteilnehmern und anderen Hindernissen.
Davon mal abgesehen halte ich mich trotzdem an alle Verkehrsregeln.