Dortmund, Provinzialstraße: Parken ohne Grenzen

Dortmund: Letzter im ADAC-Test

Die Stadt Dortmund hat sich verwundert gezeigt als Dortmund im “ADAC Test 2014: Radfahren in Städten” von den 18 getesteten Großstädten über 500.000 Einwohnern auf dem letzten Platz landete. Hauptkritikpunkte waren:
• Viele getestete Radwege sind zu schmal, zum Beispiel am Königswall.
• Stark befahrene Straßen sind oft ohne Radwege

Ist Dortmund denn nicht fahrradfreundlich?

Krass: Hier wird das gekippte Parken auf dem Radfahrstreifen angeordnet!

Krass: Hier wird das gekippte Parken auf dem Radfahrstreifen angeordnet!

Hat Dortmund kein Herz für Fußgänger?

Hat Dortmund kein Herz für Fußgänger?

Der Außenspiegel ragt in den Radweg. Wie breit ist der Gehweg?

Der Außenspiegel ragt in den Radweg. Wie breit ist der Gehweg?

[clearboth] Dortmund meint in seiner Stellungnahme zum ADAC-Test: „Man kann regelgerechte Radwege (nach RAST 06 und StVO) nicht als zu schmal bezeichnen.“

Der Sicherheitstrennstreifen macht den Unterschied

Kann man doch: Wenn man das Prinzip der Straßenplanung von außten nach innen und die Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA 2010) als Maßstab nimmt. Der in den ERA 2010 geforderte und sachlich notwendige Sicherheitstrennstreifen zwischen Radverkehrsanlage und parkenden Kfz ist in der StVO und den RASt 06 nicht enthalten.

Der ADAC hat nicht zufällig das Planungsbüro Alrutz mit dem Test beauftragt.Dipl.-Ing. Dankmar Alrutz aus Hannover ist einer der Hauptautoren der ERA 2010. Dementsprechend war sein Maßstab für die Bewertung der Radverkehrssituation die ERA 2010 zu Grunde gelegt. So können und müssen nach RAST 06 und StVO regelkonforme Radwege mit mangelhaft bewertet werden.

„Radverkehrsanlagen sollen aus Gründen der Verkehrssicherheit in der Regel durch Sicherheitstrennstreifen von den angrenzenden Verkehrsflächen abgesetzt werden.“ (ERA 2010, S. 16).

Zu diesem Trennstreifen erklären die ERA: Neben einem ist zu Längsparkern ein Trennstreifen von 0,50 m bis 0,75 m erforderlich. Dieser Sicherheitstrennstreifen ist nicht Teil der Radverkehrsanlage. Als Trennstreifen zu Gehwegen genügt ein taktiler Begrenzungsstreifen. Die Breite des Begrenzungsstreifens von mindestens 0,30 m wird der lichten Breite des Gehweges zugeordnet. Die Breite von Gehwegen (Seitenraumbreite) an Straßen mit geschlossener Bebauung bis zu drei Geschossen und höchstens 5000 Kfz/Tag beträgt mindestens 2,50 m.

Provinzialstraße: Nur die Fahrbahn ist in Ordnung

An der Provinzialstraße wird keine dieser Bedingungen erfüllt. Der Radfahrstreifen unterschreitet zwar das Mindestmaß nicht, aber an keiner Stelle ist der notwendige Sicherheitstrennstreifen zu den parkenden Kfz vorhanden. Noch schlimmer steht es mit den Gehwegen: Es gibt keinen Begrenzungsstreifen und die Breite des Seitenraumes hat neben den auf dem Gehweg geparkten Kfz nirgendwo das Mindestmaß. Teilweise verbleibt nicht einmal ein Meter. Gehwege müssen auch für mobilitätseingeschränkte Personen mit Rollstühlen oder Rollatoren, für Kinder bis zu 10 Jahren auf Fahrrädern und für Fußgänger mit Gepäck uneingeschränkt leicht und sicher benutzbar sein.

Parken ohne Ende

Auf der gerade umgestalteten Provinzialstraße ist der Raum zwischen den Bordsteinen fahrradfreundlich geworden – auch wenn man die Empfehlungen für Radverkehrsanlagen 2010 als Maßstab nimmt. Leider gilt das nicht für die Seitenräume. Das ungelöste Problem des legalen und illegalen Gehwegparkens macht die Bemühungen auf der Fahrbahn zunichte. Die AGFS heißt mittlerweile nicht umsonst „Arbeitsgemeinschaft fußgänger- und fahrradfreundlicher Städte, Kreise und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen“. Fahrradfreundlichkeit setzt Fußgängerfreundlichkeit voraus. Nicht zuletzt, weil Kinder bis zu 8 Jahren Gehwege benutzen müssen, wenn sie mit dem Rad unterwegs sind. Aber auch, weil Gehwege auch für mobilitätseingeschränkte Personen mit Rollstühlen oder Rollatoren uneingeschränkt leicht und sicher benutzbar sein müssen.

Städtebauliche Bemessung: Straßen von außen nach innen planen

Die Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen (RASt 06) nennen das notwendige Verfahren „Städtebauliche Bemessung“: „Die städtebauliche Bemessung ist ein Verfahren, das den notwendigen Abmessungen der befahrenen Flächen, das heißt Fahrbahnen, Sonderfahrstreifen des ÖPNV und Radverkehrsanlagen auf Fahrbahnniveau plausibel nachvollziehbare notwendige Abmessungen für die Seitenräume gegenüberstellt. Sie verfolgt das Ziel einer ‚Straßenraumgestaltung vom Rand aus‘.“ „Als angenehm wird eine Aufteilung von Seitenräumen zu Fahrbahn von 30:40:30 empfunden.“ (RASt 06, S. 21). Die Kurzformel lautet: Straßen von außen nach innen planen.

Die Provinzialstraße ist auch nach der Umgestaltung der Fahrbahn nicht fußgängerfreundlich, weil die Seitenräume unberücksichtigt blieben. Und sie ist nicht fahrradfreundlich, weil die Trennstreifen fehlen. Solange die Straßenräuberei der Pkw-Fahrer nur von der Fahrbahn auf die Gehwege verlagert wird, bleibt die Gesamtnote: mangelhaft.

Zum weiterlesen:
http://www.adac.de/infotestrat/tests/strassen/radwege/2014/
http://www.dortmund.de/de/leben_in_dortmund/nachrichtenportal/nachricht.jsp?nid=316796

Erläuterung der Städtebaulichen Bemessung nach RASt 06:
http://www.hjpplaner.de/projekte/staedtebauliche-bemessung/
ausführlich als PDF hier:
http://www.hjpplaner.de/_medien/beitraege/2007/strassenraumgestaltung-mit-den-rast-06.pdf

Zum Thema:
Broschüre der AGFS NRW: Parken ohne Ende
http://www.agfs-nrw.de/fileadmin/agfs/Fachthemen/Autoparken/parkraum_broschuere_2012_web.pdf

 

Über Klaus Kuliga

Seit 33 Jahren Arbeit an demselben Projekt: Aus Bochum eine fahrradfreundliche Stadt machen. Eine fahrradfreundliche Stadt ist eine Einladung zum Rad fahren. Immer, überall, für jeden.
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3 Antworten zu Dortmund, Provinzialstraße: Parken ohne Grenzen

  1. Norbert Paul sagt:

    Warum fällt den Jungs und Mädels beim Aufstellen der Schilder nicht auf, dass die Schilder Unsinn sind. Parken auf dem Radweg. *kopf schüttel*

  2. Tommes sagt:

    Das ist nicht immer einfach die richtige Lösung zu finden, ich bin auch gespannt was als nächstes kommen wird.

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