Sind AGFS-Städte fußgänger- und fahrradfreundlich?

Verlängerung der AGFS-Mitgliedschaft
Am 01.12.2014 hat die Arbeitsgemeinschaft fußgänger- und fahrradfreundlicher Städte, Gemeinden und Kreise in Nordrhein-Westfalen e.V. (AGFS) in der Landeshauptstadt Düsseldorf an 34 Mitglieder* Urkunden zur Verlängerung ihrer Mitgliedschaft überreicht. Nur für die Stadt Marl wurde die Mitgliedschaft in der AGFS nicht verlängert. Gemäß der Pressemitteilung der AGFS müssen sich die Städte: “Alle sieben Jahre … erneut bewerben und unter Beweis stellen, dass sie aktiv und kontinuierlich daran arbeiten, zukunftsfähige, belebte und wohnliche Städte zu gestalten.”


Sind die Städte wirklich so fußgänger- und fahrradfreundlich wie in den Broschüren und Imagefilmen der AGFS verkündet wird?


Am Beispiel der Stadt Aachen eine kurze Bilanz:

  • Die letzte größere Maßnahme in Aachen für den Radverkehr war im Zeitraum 2010 bis 2012 die Markierung von Schutzstreifen entlang des Graben- und Alleenringes. Diese Radverkehrsanlagen entsprechen nur in Teilabschnitten den Anforderungen der Empfehlung für Radverkehrsanlagen (ERA 2010). Ausreichend breite Schutzstreifen auf Kosten des motorisierten Individualverkehrs waren anscheinend politisch nicht durchsetzbar. Die zwischenzeitlich nach der Umsetzung auftretenden relativ hohen Unfallzahlen im Abschnitt Boxgraben deuten auf ein infrastrukturell ausgelöstes Problem durch die beengten Verhältnisse hin.
    Ist dies fahrradfreundlich oder autofreundlich?
  • Die von der AGFS publizierten Broschüren mit Planungsempfehlungen werden bei Baumaßnahmen in Aachen regelmäßig nicht berücksichtigt. Beim Ausbau des europaweit einmaligen 125 km langen Vennbahn-Radweges zwischen Aachen und Luxemburg kam im Bereich der Stadt Aachen keiner auf die Idee die Querungsstellen mit landwirtschaftlichen Wegen oder öffentlichen Straßen entsprechend der in der Broschüre Querungsstellen für Radverkehrsanlagen dargestellten Musterbeispiele auszuführen. Dies geschah obwohl eine Vertreterin der Stadt Aachen im entsprechenden Arbeitskreis für die Broschüre tätig war. Vorfahrtsregelungen für Radfahrer auf der stark befahrenen Vennbahn-Route waren und sind selbst in kleinen Anliegerstraßen mit Tempo 30 nicht vorstellbar. Die nicht vorhandenen Nullabsenkungen an den Querungsstellen wollen wir erst gar nicht weiter thematisieren.
    Ist das innovativ?
  • Bei dem für das Jahr 2015 geplanten Umbau der Alt-Haarener-Straße soll nur ein einseitiger Schutzstreifen markiert werden, da bei einer zweiseitigen Lösung zu viele Kfz-Stellplätze entfallen würden. Die Alt-Haarener-Straße ist eine wichtige Verbindungsstraße zwischen Würselen und Aachen-Zentrum mit geringem Parkdruck. Im Verkehrsentwicklungsplan wird dieser Abschnitt als Lückenschluss für den Radverkehr hervorgehoben. Die Variante mit dem einseitigen Radfahrstreifen ist über 200.000 € teurer als die zweiseitige Markierung von Schutzstreifen.
    Stellen einseitige Radverkehrsanlagen eine fahrradfreundliche Lösung des Problems dar?
  • Die bestehende Radstation am Hauptbahnhof soll im Rahmen eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanes überplant werden. Der Investor soll nun verpflichtet werden eine neue Radstation mit nur 400 Stellplätzen in dem Neubau zu integrieren. Sogar im kleinen Horrem bei Köln hat die Radstation ebenfalls 400 Stellplätze und die nicht besonders fahrradfreundliche Stadt Mönchengladbach plant derzeit eine Radstation mit 666 Stellplätzen. Ob es für die Bauzeit eine Interimslösung für die Radstation (z.B. Zelt) gibt, ist bisher nicht bekannt.
    Die vernetzte Mobilität zwischen den Verkehrsträgern ist in Aachen anscheinend nicht so wichtig, oder?
  • Die Stadt hat im Jahr 2014 eine Pressemitteilung herausgegeben um die Öffentlichkeit darüber zu informieren, dass 50 neue Fahrradbügel im gesamten Stadtgebiet aufgestellt werden. Dies ist eine “großartige” Leistung für eine fahrradfreundliche Stadt mit mehr als 230.000 Einwohnern. Noch peinlicher wird dies, wenn man die zusätzlichen Kfz-Stellplätze in Parkhäusern innerhalb des Alleenringes zusammenrechnet, die in den letzten Jahren in Aachen errichtet wurden: EBV-Carré, Kapuziner-Karre, Aufstockung Sparkasse, APAG + im Bau befindliches Parkhaus Aquis Plaza => 2.400 Kfz-Stellplätze.
    Vielleicht sollte sich die Stadt Aachen beim ADAC als autofreundliche Kommune bewerben oder gibt es so eine Auszeichnung in Deutschland noch nicht?
  • In Aachen-Brand soll im Jahr 2015 die Marktstraße und der Marktplatz umgestaltet werden. Neben der Marktschule (städtische Grundschule) werden Gehwege geplant, welche nur die Mindestbreite von 2,00 m aufweisen und daher nicht den Anforderungen der “Empfehlungen für Fußgängeranlagen” der Forschungsgesellschaft für Straßen und Verkehrswesen (FGSV) entsprechen, obwohl mehr Platz vorhanden wäre. Ein kleiner bestehender Parkplatz wird erweitert und erhält eine zusätzliche Zufahrt. Um möglichst viele Stellplätze unterbringen zu können, wird auf dem Parkplatz keine Wendemöglichkeit vorgesehen. Die Fahrzeuge sollen neben der Grundschule den Parkplatz über den Gehweg rückwärtsfahrend verlassen. Die in der AGFS Broschüre Parken ohne Ende? propagierte Förderung der Nahmobilität mit möglichst wenigen Kfz-Stellplätzen bleibt hier völlig unberücksichtigt.
    Werden hier die Anforderungen an die Verkehrssicherheit von Fußgängern im Umfeld einer Grundschule erfüllt?

Fazit:
Das Städte nicht von heute auf morgen zu fußgänger- und fahrradfreundlichen Gebieten umgebaut werden können, ist jedem klar. Aber wenigsten bei Neubauvorhaben sollten die Anforderungen von Fußgängern und Radfahrern auf dem Niveau der aktuellen technischen Regelwerke, welche den Stand der Technik wiederspiegeln, umgesetzt werden. Als AGFS-Mitglied sollte man selbstverständlich nicht nur die gerade noch erlaubten Mindestabmessungen von Geh- und Radwegen bauen, sondern die Regelmaße einhalten – besser für Fußgänger und Radfahrer wären großzügige Lösungen wie in Kopenhagen. Eine Kombination von Mindestabmessungen von z.B. Gehweg, Schutzstreifen und Fahrbahn ist gemäß Richtlinie sogar explizit nicht zulässig.


Wie sind eure Erfahrungen in anderen AGFS-Städten? Berichtet doch mal im ADFC-Blog!

* Folgende Kommunen haben eine Verlängerung der AGFS-Mitgliedschaft erhalten:
Die Städte Aachen, Bielefeld, Bonn, Brühl, Bünde, Coesfeld, Dormagen, Dortmund, Dülmen, Düsseldorf, Essen, Euskirchen, Gladbeck, Hamm, Herford, Herne, Herzogenrath, Ibbenbüren, Iserlohn, Kempen, Köln, Krefeld, Leverkusen, Minden, Mülheim an der Ruhr, Münster, Pulheim, Soest, Troisdorf, Unna und Wesel sowie die Kreise Rhein-Erft-Kreis, Kreis Lippe und Kreis Viersen.

Über Norbert Rath

Das Fahrrad ist meine Leidenschaft! Egal ob im Alltag oder in der Freizeit mit dem Rennrad, Mountainbike und Reiserad - auf zwei Rädern macht es einfach mehr Spaß sich zu bewegen. Seit mehreren Jahren engagiere ich mich im ADFC Aachen um die Bedingungen für den Radverkehr in der Region zu verbessern.
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9 Antworten zu Sind AGFS-Städte fußgänger- und fahrradfreundlich?

  1. Krefeld, immerhin Gründungsmitglied und Sitz der AGFS, hat nun auch nicht gerade mustergültig abgeschnitten:

    http://www.wz-newsline.de/lokales/krefeld/radverkehr-krefeld-nur-befriedigend-1.1806601

    Im Kreis Viersen läuft es deutlich besser, wobei es eher um touristische Schwerpunkte geht. Insofern sind AGFS-Kreise mit AGFS-Städten nur schwer zu vergleichen.

  2. Markus MK sagt:

    Also nix für ungut, ein kritischer Blick auf die AGFS finde ich immer ratsam. Mein Gesamteindruck von der Faharradfreundlichkeit dieser Kommunen ist extrem begrenzt. Aber hier im Falle von Aachen lohnt sicher unter einem etwas anderen Winkel, als bis 2012 !-ein zweiter Blick-!

    1. Schutzstreifen sind inzwischen wirklich OUT. Nur ein kleiner Hinweis: Checkt doch mal bitte die neue Rechtslage. Das einzige, was geschützt wird, sind die Mindestbreiten für die Restfahrbahn. Also wer sie bis 2012 nicht regelkonform errichtet hat, braucht sie heute erst recht nicht mehr. (Nur schade, dass das so wenig diskutiert wird und noch keinen Einfluss auf die radverkehrspolitische Ausrichtng des ansonsten doch immer sehr auf dem aktuellen Stand befindlichen ADFC genommen hat. Vielleicht bekommen wir ja in ein paar Jahren einen Warnhinweis als e-intern…)
    Wollt ihr wirklich durch optische Verschmälerung eine Temporeduzierung erreichen, ist das ehrenwert. Aber das sollte nicht rechtfertigen, zu diesem Zweck Radfahrende in die Rinnsteine und toten Winkel zu zwingen. Dafür gibt es auch andere bauliche Methoden.

    2. Die Versäumnisse bei den Querungsstellen sind ein echtes UNDING.

    3. Wer Laternen-Kfz-Stellplätze längerfristig verhindern will, muss kurzfristig Parkhäuser beuen, für deren Kosten wir als Radfahrende ja nicht verantwortlich sind.

    Und andere “attraktive” ;-) Parkplätze ohne Wendemöglichkeit und aus Verkehrssicherheitsgründen mit möglichst wenig Ein- und Ausfahrten können sichher auch noch in notfalls dafür geschaffenen Baulücken errichtet werden.
    Eine Mitnutzung als oder Verwandlung in Fahrradparkhäuser steht doch sicher nichts im Wege. Das klappt sogar (auch wenn von einiigen Parkwächter nicht gern gesehen) im Sauerland…

  3. N.M. sagt:

    Regelmäßig bin ich in den Städten Köln (dort arbeite ich) und Bonn (dort wohnt eine Teil meiner Familie) mit dem Fahrrad unterwegs. Anläßlich eines Wochenends-Lehrgangs lernte ich letztes Jahr auch Aachen radverkehrsmäßig kennen. Ich denke, dass ich auch nach nur einem Wochenende durchaus Aachen beurteilen kann, denn es geht ja auch darum, wie gut man sich als ortsunkundiger zurecht findet. Und wenn man absolut nicht den Weg findet, weil die zuvor herausgesuchte Route für Fahrräder gesperrt ist, zwar alles ausgeschildert, aber dann für Fahrräder ebenfalls gesperrt ist, wenn man ständig nur suchen muss, wo man denn nun herfahren darf (weil Fahrbahn gesperrt, aber Radwegführung uneinheitlich und unklar ist), dann ist das keineswegs fahrradfreundlich, sondern hemmend, uständlich und gefährlich.

    Im Gegensatz zu der kleinen Stadt, in der ich wohne (in RLP gelegen und sich nicht groß um den Radverkehr bemühend), sind alle drei “fahrradfreundlichen” Städte der Horror. Ich habe als Jugendlicher in den späten achtzigern / frühen neunzigern in Bonn gewohnt, und fand das fahrradtechnisch ganz super: überall Radwege, prima. Nachdem ich nun sehr viel fahre, dabei zügig von A nach B gelangen möchte, und dies möglichst einfach und sicher, empfinde ich die Bonner, Kölner und Aachener (Rad-)Verkehrspolitik als völlig mißlungen.

    Generell wird man in allen drei Städten an den meisten Stellen auf benutzungspflichtige Radwege gezwungen (lt. StVO die Ausnahme, in allen drei Städten die Regel, selbst dort, wo Tempo 30 angeordnet ist!). Überall dort ist das Benutzen dieser Wege deutlich gefährlicher als das Fahren auf der Fahrbahn (schlechter baulicher Zustand, gefährliche Wegführung an Einmündungen, Kreuzungen und Grundstücksausfahrten, zu schmal, oft mit angeordnetem Gegenverkehr auf gleicher Seite usw.). Insbesondere die Stadt Bonn geht massiv dazu über, auch Straßen, die bislang keine Radverkehrsführung hatten, mit “Schutzstreifen” zu versehen. Diese Straßen sind meist zu schmal dafür, und die Streifen werden genau neben Parkbuchten im Türöffnungsbereich der PKW geführt! In der Presse wird groß breitgetreten, was man für Radfahrer alles tut, und dazu gehört seit einiger Zeit ein Konzept von “Fahrradstraßen”, einer Einrichtung, die niemandem etwas nützt (KFZ sind dort weiterhin erlaubt, die entsprechend beschilderten Nebenstraßen sind routenmäßig völlig irrelevant). Die Neuplanung des Bereiches vor dem Hauptbahnhof (bislang keinerlei Radverkehrsführung; ich kann also ganz “normal” dort fahren) sieht vor, dass der KFZ-Durchsatz dort erhöht werden soll, dazu soll dann ein einseitiger(!) gemeinsamer Geh- und Radweg(!) eingerichtet werden. Proteste des dort völlig angepassten und in meine Augen zahn- und nutzlosen ADFC werden ignoriert; ernsthafte Aktivitäten (nicht nur laut jammern) des ADFC gegen dieses von ihm kritisierte Projekt sehe ich nicht.

    In Köln besteht flächendeckend Radwegebenutzungspflicht, regelmäßig gibt es dort Unfälle mit schwerverletzten oder getöteten Radfahrern aufgrund von Rechtsabbiegeunfällen an solchen unübersichtlichen Stellen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Stadt Köln ein besonderes Händchen dabei hat, die Straßennamenschilder wegzulassen oder völlig unsichtbar aufzustellen, so dass ortsunkundige Fahrer ihre Aufmerksamkeit mit Suchen vergeuden, statt auf seitlich neben ihnen plötzlich auftauchende Radfahrer zu achten. (Ich bin jahrelang Kranken- und Rettungswagen gefahren und bilde mir ein, in unbekannten Gegenden Straßenschilder schnell zu finden; in Köln ist das unmöglich; sie fehlen oft einfach oder stehen dort, wo man sie weder sehen noch erahnen kann! Bezeichnenderweise sind oft ortsunkundige LKW in diese Unfälle verwickelt). Immer wieder wird man von der Beschilderung als Radfahrer in Köln so geführt, dass man entweder nicht ans Ziel kommt, oder gegen die Regeln verstoßen muss. Das ist alles weder stimmig noch durchdacht. Zu allem Überfluss geht die Polizei bisweilen drakonisch und einseitig gegen Radfahrer vor (vgl. auch http://www.radfahren-in-koeln.de/ , die Erfahrungen dort sind beispielhaft für Kölner Verhältnisse).

    Wenn ich das dann alle mit der kleinen Stadt vergleiche, in der ich wohne, so ist das Radfahren dort eine Wohltat. Einfach, weil es kaum als “gute Tat für den Radverkehr” verkaufte Restriktionen gibt. Ich kann dort ganz normal fahren. Damit ist diese Stadt die Ausnahme, bereits in den der Stadt eingemeindeten Nebendörfern sieht dies ganz anders aus (ganz zu schweigen von dem restlichen Kreisgebiet), und es zeugt, dass die beste Radverkehrsförderung oft der Verzicht auf “Förderungsmaßnahmen” besteht (als Fußgänger fühle ich mich dort auch unwohl; Gehwegbreiten usw. sind unter aller Kanone, Gehwege oft zugeparkt usw.).

    Im Falle Kölns, Bonns und Aachens finde ich dies alles besonders perfide, weil hier letzlich nur eines eine Rolle spielt: Symbolpolitik, die aber keinesfalls zu Lasten des MIV gehen darf. Denn alle diese Maßnahmen sorgen eigentlich nur dafür, dass die Fahrbahnen für den MIV geräumt werden und kein Radfahrer sie blockiert. Man möchte dort dem Auotverkehr _nichts_ nehmen. Die Auszeichnung als “fahrradfreundlich” empfinde ich als völlig verlogene Angelegenheit. Insbesondere, weil es letztlich um die Sicherheit und das Leben von Radfahrern geht, die all dem Geschwätz der “sicheren Radwege” instinktiv Glauben schenken.

    • Philipp R. sagt:

      Kann ich so unterschreiben!

    • Alfons Krückmann sagt:

      Ja.
      Vollste Zustimmung.

      Die sogenennte Radverkehrsförderung scheint in der Tat vor allem an der Aufrechterhaltung oder Erweiterung der KFZ-Kapazitäten orientiert zu sein.
      Für zwei Gruppen der Radfahrenden mag das durchaus Vorteile haben:
      – die Radwanderer, die im Regelfall – ungestört von lästigen Radfahrern auf der Fahrbahn – mit dem Auto anreisen, und
      – die Kurzstreckenfahrer, die sich im eigenen Nahbereich gut auskennen und mit dem Rad (im Bereich von 0,5 – 4 KM) schneller sind als zu Fuss oder mit dem Auto.

      Für die meisten, die regelmässig auch mittlere und längere Distanzen zurücklegen (oder zurücklegen müssen), wird allerdings ‘Radverkehrsförderung’ zunehmend als Drohung aufgefasst.
      So bleibt denn halt der Radverkehr eher die Alternative zum Fussverkehr, statt eine attraktive Alternative zum MIV zu sein. Prognostiziert wird denn auch folgerichtig ein weiterer Anstieg der KFZ-Nutzung in D bis mind. 2025.

      Gerade bei mittleren und längeren Strecken machen sich die Folgen der Deutschen Radverkehrsförderung stark negativ bemerkbar.
      Immer öfter muss man anhalten wg. einseitigen Zwangsradwegen mit waghalsigen Querungen.
      Auch Verschwenkungen auf Zwangsradwegen mit Vorfahrtsentzug auf ausserörtlichen Strassen werden gemäss ERA leider zur Regel und kosten unnötig viel Zeit und Anstrengung.
      Die gegenüber der Fahrbahn grundsätzlich schlechteren Oberflächen fordern zudem oft 10 – 30 % mehr Anstrengung für die gewünschte Geschwindigkeit (gegenüber der oft glatten Fahrbahn), oder aber erhöhen – bei gleicher Anstrengung – die Reisezeit deutlich.
      Jede neue Umgehung wird ERA-konform für den Radverkehr gesperrt, so dass man sich dann – mangels Legitimation durch stinkendem Motor – ohne Ausschilderung durch den verkehrsberuhigten Ortskern durchfragen kann.
      Seitenweise könnte ich da weiterschreiben………..
      Das ist m.E. mitnichten Zufall, mitnichten Unfähigkeit, das hat System!!!

      Die Strecken Bochum – Köln, Münster – Duisburg, Münster – Osnabrück – Bremen und einige andere fuhr und fahre ich über die Jahrzehnte recht regelmässig, und ich kann aus Erfahrung sagen, dass es immer nerviger wird. Meine Fahrgeschwindigkeit bleibt dabei eigentlich über die Zeiten recht konstant, aber die Durchschnittsgeschwindigkeit sinkt immer stärker, je mehr “Radverkehrsförderung” sich auf den Strecken ereignet hat.
      Es ist auch immer häufiger, dass man aus dem Rhythmus kommt durch ständiges Anhalten aufgrund der tollen zusätzlichen Radinfrastruktur.
      Wenn es denn wenigstens so wäre, dass bei schlechten Oberflächen oder linksseitigem Radweg die Benutzungspflicht entfiele, aber nein. Immer öfter wird man ERA-konform ausgebremst und in gefährliche Situationen manövriert.

      Politisch bin ich zwar strikt gegen die wirtschaftsliberale Forderung von weniger Staat und mehr Privat, aber aus Sicht des Alltags-Mittelstreckenfahrers kann ich nur hoffen, dass dem Staat endlich das Geld ausgeht für die Errichtung weiterer derart “fahrradfreundlicher” Infrastruktur.

      Im NL ergaben Studien, dass 2,25 das Mindestmass für sichere EINSEITIGE Radwegführung sein sollte (natürlich OHNE Fussgänger, etc.) , hier ist es ERA-konform wenn 2 Zweiräder auf 2 Meter schmalen Wegen aufeinander zu rasen, wobei der Eine von Beiden ohnehin nichts sehen kann, weil er im angeordneten Linksverkehr vom asymmetrichen KFZ-Licht geblendet wird.
      Absurdistan !
      Vermutlich spielt es auch eine Rolle, dass der weit überwiegende Teil der Radfahrenden vorrangig im KFZ unterwegs ist, und somit kaum Verständnis für die simple Tatsache hat, dass die menschengerechte Gestaltung einer zukunftsfähigen Mobilität vor allem Eines braucht: weniger Autoverkehr!
      Genau dies aber ist das Zaubermittel in Kopenhagen und in Teilen von NL gewesen, um Verkehrsverlagerung hin zum Umweltverbund zu erreichen. Raum, Parkmöglichkeit und Durchschnittsgeschwindigkeit wurden für MIV verschlechtert, während parallel der Umweltverbund zu stärken versucht wurde.
      Da klapt umso besser, je mehr die Seite der Restriktion gegenüber dem MIV überwigt (Groningen wäre da ein recht gutes Beispiel, aber auch mit Einschränkungen Kopenhagen).
      Radverkehrsförderung braucht tatsächlich vor allem Restriktionen gegenüber dem MIV. Nur so ist Radverkehr und die ÖPNV/Rad-Kombination in der Lage die Menschen bei der Verkehrmittelwahl aus rationalen Gründen hin zu menschlich und ökologisch verträglicher Moblität zu bewegen.
      Das ist denn wohl auch die Erklärung für den Unmut an der “Radverkehrsfreundlichkeit”.
      Wasch mir den Pelz aber mach mich nicht naß ist das Motto.
      Solange noch “fahrradfreundliche” Autoparkplätze vor “fahrradfreundlichen” Hotels in “Fahrradfreundlichen” “Radregionen” gebaut werden und “Fahrradfreundliche” Klein-LKW zum “Fahrradfreundlichen” Transport der Räder von Radtouristen mit EU-Mitteln finanziert werden sollte man sich nicht wundern über die schmerzenden Handgelenke infolge der zwangsweisen Benutzung von “Fahrradfreundlicher” Infrastruktur …

      Unterm Strich:
      Die Politik ist nicht in der Lage die Wiederentdeckung der Lust am Radfahren einzudämmen.
      Konsequenz:
      Radverkehr so umleiten, dass die Kapazitäten und Durchschnittsgeschwindigkeiten für den MIV erhalten bleiben bzw. ausgebaut werden können.

      Lediglich in einigen Nahbereichen des urbanen Wohnens, sowie im Tourismus findet eine partiell eine reale Verbesserung für die Praxis des Radfahrens statt, während überall da, wo der Radverkehr in Konkurrenz zur KFZ Nutzung steht der Radverkehr künstlich ausgebremst wird.

      Spannend wird m.E. sein, wie sich die Stau-reduzierenden Radschnellwegeverbindungen auswirken werden:
      wird nur der Stau für KFZ reduziert, oder verbessert sich tatsächlich effektiv was für die A zu B Verbindungen des Radverkehrs?

  4. Norbert Paul sagt:

    Danke für den ausführlichen Kommentar.

    Im NL ergaben Studien, dass 2,25 das Mindestmass für sichere EINSEITIGE Radwegführung sein sollte

    und

    Solange noch “fahrradfreundliche” Autoparkplätze vor “fahrradfreundlichen” Hotels in “Fahrradfreundlichen” “Radregionen” gebaut werden und “Fahrradfreundliche” Klein-LKW zum “Fahrradfreundlichen” Transport der Räder von Radtouristen mit EU-Mitteln finanziert werden

    Hast du da jeweils Quellen dazu parat? Würde da gerne mehr zu lesen.

    Spannend wird m.E. sein, wie sich die Stau-reduzierenden Radschnellwegeverbindungen auswirken werden:
    wird nur der Stau für KFZ reduziert, oder verbessert sich tatsächlich effektiv was für die A zu B Verbindungen des Radverkehrs?

    Die Frage vorneweg ist doch ersteinmal, ob es in Deutschland demnächst Radschnellwege geben wird, die den Namen verdienen. Den s. g. Radschnellweg in Göttingen habe ich mir mal bei Youtube angeschaut. Was daran “Radschnell” sein soll und wo der Unterschied zu dem Üblichen in Deutschen Städten ist, konnte ich nicht erkennen. Und der RS1 wird vermutlich am Ende eine teure Beschilderung sein, die aus der sinnvollen Vereinheitlichung der Beschilderung (deren Umsetzungsqualität lassen wir mal beiseite) ausschert und über eine zur Freizeitroute ausgebauten Bahnstrecke, über freigegebene Wartungswege an Kanälen, bestehende Straßen und einzelnen Infrastrukturergänzungen führen wird. An Brücken über Hauptverkehrsstraßen glaub ich erst, wenn sie eröffnet sind (wobei es nicht gerade fahrradfreundlich ist, dass die Steigungen vom Radverkehr und nicht vom Autoverkehr zu bewältigen sind.

    • Alfons Krückmann sagt:

      Zur NL-Studie gibt es leider soweit ich weiss keine engl. Fassung, nur auf holländisch:

      http://www.fietsberaad.nl/index.cfm?lang=nl&section=nieuws&mode=newsArticle&newsYear=2013&repository=Veilige+bermen+vergroten+effectieve+breedte+fietspad

      oder mit kurzem deutschem ‘Summary’:

      http://www.nationaler-radverkehrsplan.de/neuigkeiten/news.php?id=4046

      Was die EU-geförderten ‘fahrradfreundlichen’ Kleintransporter angeht habe ich gerade keine Quelle mehr zur Hand.
      Das fand ich auf einer Fremdenverkehrsseite als Info zu fahrradfreundlichem Urlaub. Explizit wurde darauf verwiesen, dass genügende (Auto-) Parkplätze vorhanden seinen, und vor allem für die Radtouristen ein EU-geförderter Kleinlaster zur Verfügung stünde, um die Räder (ggf. incl. Radler) zum gewünschten Streckenanfang zu transportieren, bzw. um die Räder wieder einzusammeln / abzuholen / weiterzutrasportieren ,…
      Ich fand das damals recht kurios, dass Steuergelder verwendet werden, nur um touristen mit Lärm und Abgas etwas näher an die Waldradwege zu bringen, bzw. diese davon abzuholen, damit sie nicht über Landstrassen oder ähnliches fahren müssen … ?
      Müsste so ca. 2 Jahre her sein.
      Vielleicht ists noch im Netz, evtl. auch auf irgendeiner meiner Festplatten offline gespeichert. Werde mal nachsehen, kann aber etwas dauern.
      Generell gibt es eine einige Jahre alte BAST-Studie, in der festgestellt wird, dass die Anreise zu Radtourismus in 5 von 6 Fällen mit dem PKW erfolgt.
      (Bedenkt man, dass immer öfter ein edelec genutzt wird ist die Umweltbilanz u.U. längst nicht so gut, wie sie dem Radtourismus immer unterstellt wird – es sei denn es wird eine Flugreise eingespart.)

      • Norbert Paul sagt:

        Danke für die ausführliche Antwort.

        Auf die Idee, Fahrradtourismus per se für umweltfreundlich zu halten, kommen auch nur Jack-Wolfskin tragende OSR, die grün wählen. Wenn in einer Region für den Fahrradtourismus extra Wege gebaut werden, ist das ein imenser Flächenverbrauch, der in die Ökobilanz einzubeziehen ist.

  5. Ulf sagt:

    dass Ddorf den Titel tragen darf ist blanker Hohn. In Ddorf ist Fahrradfahren eigentlich nur am Rhein zwischen Landtag und Altstadt moeglich, um es ueberspitzt auszudruecken. Die Strassenplanung in Ddorf ist schon etwas bizarr. Die Regel ist, dass Radwegen im Nix starten und ploetzlich enden, bzw. an den unmoeglichsten Stellen. Ein Radweg in Ddorf ist maximal so lang wie die Befuegnisse des Beamten im Bauamt der fuer die Strasse zustaendig ist. Ich sollte vielleicht noch erwaehnen dass es schon sehr gefaehrlich sein kann auf diesem Radwegflickenteppich zu fahren, weil es auch fuer die Fussgaenger und Radfahrer nicht immer ersichtlich ist, dass hier ein Radweg ist (startet, oder endet). Ich fahre mittlerweile direkt nur auf der Strasse, auch wenn es einen Radweg dort gibt.
    Ddorf ist noch Lichtjahre davon entfernt fahrradfahrerfreundlich zu sein. Dafuer ist die Verkehrsplanung in Ddorf einfach zu chaotisch (menschliches Versagen).

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