Was ist dran an dem ADFC-Mantra „Die Straße ist sicherer“?

Foto: Mark Michaelis

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Seit etwa 20 Jahren – solange bin ich im ADFC – höre und lese ich immer wieder, Radfahren auf der Straße sei sicherer als auf einem Bordstein-Radweg. Und: Diese Tatsache sei durch Studien belegt.

Die Studien, die stets als Beleg herangezogen werden, sind diese:

1. die „UDV-Studie“: Abbiegeunfälle Pkw/Lkw und Fahrrad, Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V., Juli 2013. Download hier: http://www.nationaler-radverkehrsplan.de/neuigkeiten/news.php?id=4111

2. die „BAST-Studie“: Unfallrisiko und Regelakzeptanz von Fahrradfahrern, Bundesanstalt für Straßenwesen, Juni 2009. Download hier: http://www.nationaler-radverkehrsplan.de/neuigkeiten/news.php?id=2661

Ich habe nicht schlecht gestaunt, als ich diese Studien jetzt erstmals las und darin nirgends einen klaren Beleg für das allgegenwärtige ADFC-Mantra „Die Straße ist sicherer“ fand.

Für die UDV-Studie wurden vier Städte untersucht: Münster, Magdeburg, Darmstadt und Erfurt. Untersucht wurden Knotenpunktarme mit unterschiedlicher Radverkehrsführung. Das heißt, es wurden Kreuzungen und Einmündungen untersucht, an denen Radfahrer im Mischverkehr auf der Straße oder auf Radstreifen oder auf Bordstein-Radwegen fahren. Auf Seite 85 unter dem Punkt 5.6 steht als ein Untersuchungsergebnis: „Für die untersuchten Radführungsformen war kein Unterschied im objektiven Risiko (Konfliktrate) nachweisbar.“

Ich finde auch die folgenden Daten aus der UDV-Studie sehr interessant.

Radverkehrsanteil: Münster 37,6 % / Magdeburg 14,6 % / Darmstadt 14,4 % / Erfurt 8,8 %. Anzahl der Abbiegeunfälle mit Radfahrerbeteiligung je 1000 Einwohner in drei Jahren: Münster 1,31 Unfälle / Magdeburg 1,43 Unfälle / Darmstadt 0,91 Unfälle / Erfurt 0,25 Unfälle. Anteil der Unfallkosten der Radverkehrsunfälle an den gesamten Unfallkosten nach Städten: Münster 24,0 % / Magdeburg 17,2 % / Darmstadt 15,4 % / Erfurt 12,5 %.

Das sieht mir eher nach einen Beleg für das Prinzip „Safety by Numbers“ aus als nach einem Beleg für eine höhere Gefährlichkeit der vielen schmalen Bordstein-Radwege in Münster. Denn die Zahl der Radfahrer-Abbiegeunfälle und der Anteil der Radfahrer-Unfallkosten sind in Münster nicht so hoch wie man angesichts des hohen Radverkehrsanteils erwarten könnte. Ganz im Gegenteil!

Auch die BAST-Studie kommt zu dem Schluss, dass Radwege und Straßen für Radfahrer etwa gleich gefährlich sind. Zitat: „Die Verteilung der Unfallorte entspricht weitgehend der Flächennutzung der Radfahrer.“  Wenn es an einer Straße einen Radweg oder einen Radstreifen gibt, benutzen laut dieser Studie 90 % der Radfahrer den Radweg/Radstreifen – unabhängig von einer Benutzungspflicht. Auf der Fahrbahn fahren demnach nur 2 % der Radfahrer (bei benutzungspflichtigen Radwegen) bzw. 4 %, wenn sie bei aufgehobener Benutzungspflicht die freie Wahl zwischen Straße und Radweg haben. Die Unfallzahlen seien nahezu identisch mit den Nutzerzahlen: „Auf Straßen bzw. Straßenseiten mit benutzungspflichtigen Radwegen ereignen sich 92 % der Unfälle in den Seitenbereichen und 6 % in den Fahrbahnbereichen. (…) Auf den Straßen mit nicht benutzungspflichtigen Radwegen entfallen 8 % der Unfälle auf den Fahrbahn- und 92 % auf den Seitenbereich.“

Mein Fazit: Die Aufhebung von Benutzungspflichten ist vielleicht ganz nett, sie bringt aber herzlich wenig für die objektive Verkehrssicherheit. Und sie bringt gar nichts für die gefühlte Sicherheit, die darüber entscheidet, ob mehr Menschen Radfahren oder eben nicht. Wenn man mehr Radverkehr will, muss man an ganz anderen Stellen ansetzen. Bessere Radwege zum Beispiel: Breiter, schöner, angenehmer. Radwege, auf denen jeder gern fährt – sogar die Mantra-Sänger.

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18 Antworten zu Was ist dran an dem ADFC-Mantra „Die Straße ist sicherer“?

  1. Norbert Paul sagt:

    Seit etwa 20 Jahren – solange bin ich im ADFC – höre und lese ich immer wieder, Radfahren auf der Straße sei sicherer als auf einem Bordstein-Radweg. Und: Diese Tatsache sei durch Studien belegt.

    Glaub das sehen viele Aktive immer noch anders als die Bundesgeschäftsstelle etc.

    Die Aufhebung von Benutzungspflichten ist vielleicht ganz nett, sie bringt aber herzlich wenig für die objektive Verkehrssicherheit. Und sie bringt gar nichts für die gefühlte Sicherheit, die darüber entscheidet, ob mehr Menschen Radfahren oder eben nicht. Wenn man mehr Radverkehr will, muss man an ganz anderen Stellen ansetzen. Bessere Radwege zum Beispiel: Breiter, schöner, angenehmer. Radwege, auf denen jeder gern fährt – sogar die Mantra-Sänger.

    Also ich fühle mich auf der Fahrbahn sicherer. Das Autofahrer sich auf Gehwegen sicherer fühlen mag auch darin begründet sein, dass sie den “Verkehr” nicht stören wollen.

    Innerstädtische (!) straßenbegleitende (!) Radwege sind Symptom eines nicht bewältigten Risikos, das von Kfz ausgeht. Wer die Gefahr beseitigt, muss keine Schutzräume für die Gefährdeten bauen. Auf der anderen Seite sind sie ein Kind der Funktionstrennung als zentralem Element der autogerechten Stadt. Ich will nicht in Städten mit rießen Verkehrstrassen leben, die am ende völlig überdimensioniert sind. Eine Überschlagsrechnung: 3 Meter Gehweg inkl. Bereiche für Laternen etc. + 2 Meter Radweg + 3 Meter Fahrspur ergibt bei zwei Richtungen 16 Meter breite Straßen. Was für eine wahnsinnige Flächeninanspruchnahme. Wollen wir diese unwirtlichen Schneisen, nur weil wir eine Gefahr nicht in den Griff bekommen wollen? Also ich nicht. Und daraus ergibt sich, dass die Gefahr gebannt werden muss. Radwege bannen die Gefahr nicht, sondern schaffen nur vermeitlich sichere Schutzräume, die – deinen Ausführungen folgend – gar nicht sicherer sind. Die Frage nach den innerstädtischen straßenbegleitenden Radwegen ist eine städtebauliche Frage!

  2. Michael HA sagt:

    Vielleicht sollte man zunächst innerhalb der ADFC-Aktiven mit genaueren Definitionen argumentieren, ansonsten besteht die Gefahr des aneinander vorbei Diskutierens. Der Begriff „Straße“ umfasst den Raum Fahrbahn, Radweg, Gehweg. Also fahren Radfahrende auf dem Radweg auch auf der Straße. Ein Radfahrstreifen ist auch ein Radweg, nur eben nicht auf dem Hochbord. Immer wieder wird der Begriff „Mischverkehr“ missbraucht, da viele auch den Radfahrstreifen bzw. Schutzstreifen fälschlicherweise als Mischverkehr betrachten.
    Die UDV-Studie ist mir nicht bekannt. Im Abstrakt kann ich aber keinen Hinweis erkennen, das diese belastbare und ausreichend große Datenmengen zu Mischverkehr versus Separation enthält. Die BAST-Studie Unfallrisiko und Regelakzeptanz von Fahrradfahrern untersucht lediglich die Regelakzeptanz bei unterschiedlichen Separationslösungen. Sie kann daher keinesfalls für eine Argumentation Pro oder Kontra Führungsformen in Bezug auf Sicherheit herangezogen werden. Mischverkehr wird hier überhaupt nicht betrachtet.
    Die einzig mir bekannte BAST-Studie, die sich mit der Sicherheit der Radwege beschäftigt hat ist „Radfahrern an städtischen Knotenpunkten“ aus dem Jahre 1992. Diese ergab eine deutlich erhöhte Gefahrenlage auf Radwegen, obwohl hier nur ausgesucht gute und rechte Radwege, also nicht die gefährlichen linksseitigen Radwege untersucht wurden. Danach ist mir keine neuere BAST-Studie zur Sicherheit auf Radwegen bekannt. Es gibt aber auch internationale Studien, die die Gefährlichkeit von Radwegen belegen. Eine Übersicht über Studien, die sich mit Radfahrsicherheit beschäftigen findet man hier: http://www.cyclecraft.co.uk/digest/research.html

    Die subjektiv empfundene Sicherheit ist hingegen eine ganz andere, jedoch ebenso wichtige Angelegenheit. Gerade an stark befahrenen Hauptstraßen trauen sich viele nicht im Mischverkehr zu fahren. Daher werden auch in Zukunft Separationslösungen erforderlich sein. Höchste Priorität sollte aber die Absenkung der innerörtlichen Geschwindigkeit mit einer Regelgeschwindigkeit auf 30 km/h haben. So könnten viele gefährliche Radwegkonstrukte überflüssig werden.

    Die dann noch verbliebenden Radverkehrsanlagen sollten auch optisch auf einen bundeseinheitlichen Standard angehoben werden und deutlich in ihrer Sicherheit verbessert werden. So sollte das niederländische Ampelprinzip „wenn der geradeaus fahrende Radfahrer grün hat, hat der rechtsabbiegende KFZ-Verkehr rot“ verpflichtend auch in DE eingeführt werden, um die schrecklichen Rechtabbiegeunfälle zu verringern. Leider gibt es in dieser Hinsicht wenig Initiative vom ADFC.

    • Norbert Paul sagt:

      Die subjektiv empfundene Sicherheit ist hingegen eine ganz andere, jedoch ebenso wichtige Angelegenheit. Gerade an stark befahrenen Hauptstraßen trauen sich viele nicht im Mischverkehr zu fahren. Daher werden auch in Zukunft Separationslösungen erforderlich sein.

      … wenn man nicht Mythen abbaut und die Infrastruktur entsprechend auch umgestaltet. Städtebaulich gesehen, kann ich den imensen Flächenverbrauch der Seperation (wenn man sie sicher und sinnvoll macht) nicht gutheißen innerorts im normalen Netz jenseits von überregionalen Trassen (Schienenregionalverkehr, Radschnellwege (falls es soetwas jemals in Deuschland geben wird), Autobahnen, …)

      Leider gibt es in dieser Hinsicht wenig Initiative vom ADFC.

      Das gilt bestimmt nicht als durchsetzbar und darf deshalb nicht gefordert werden. ;-) Eine einheitliche Notrufnummer galt auch als unmöglich, bis ein gewisser Herr Steiger sich dahinter geklemmt hat. Und heute kommt wohl keiner auf die Idee, die wieder abzuschaffen.

  3. Marco sagt:

    Zunächst einmal: ich sehe es nicht so, daß der ADFC (oder sonst wer) die Sicherheit von Radfahrern auf der Fahrbahn als “heiliges Wort” sieht und ich sehe das auch nicht so, daß das “ewig wiederholt” wird. Genauso oft hat man es mit Thesen zu tun, die besagen, daß man sich entfernt vom MIV “sicherer” fühlt – vgl. dazu “subjektive Sicherheit”. Das wurde ja schon kommentiert.

    Untersuchungen gibt es schon länger als die von Dir gelisteten, das wird u.a. hier erläutert (hat der Vorposter auch schon erläutert):
    http://bernd.sluka.de/Radfahren/Radwege.html

    Ansonsten pickst Du Dir aus den beiden Studien irgendetwas heraus, was wohl Deine persönliche “subjektive Sicherheit” manifestieren soll, anderes fällt aber unter den Tisch, wie z.B. die Einleitung der UDV Studie:

    “Autofahrer vergessen beim Abbiegen viel zu oft den Schulterblick oder können wegen Sichtbehinderungen und ungünstig geführter Radwege gar nichts sehen. Deshalb kommt es häufig zu schweren Unfällen mit geradeausfahrenden Radfahrern”

    oder aber:

    ” -Unfälle mit abbiegenden Kfz und geradeausfahrenden Radlern passierten zu zwei Drittel beim Rechtsabbiegen.

    und:

    “-Unfallauffällig waren an Ampeln vor allem Radwege, die zwischen zwei und vier Meter von der Straße abgesetzt waren. Bei Kreuzungen ohne Ampeln waren es die, die mehr als vier Meter abgesetzt waren. Hier waren oft Sichtbehinderungen vorhanden.”

    Was aber viel wesentlicher ist: die von Dir zitierte Anzahl der Abbiegeunfälle mit Radfahrerbeteiligung je 1000 Einwohner in drei Jahren (Münster 1,31 Unfälle) ist völlig irrelevant, denn sie bezieht sich auf ALLE Abbiegeunfälle. Relevant wäre aus der gleichen Studie:

    “Hauptunfallursachen bei den 1.286 durch Kraftfahrer verursachten Radverkehrsunfällen sind die Nichtbeachtung der Vorfahrt (34%), Fehler beim Abbiegen (28%) und beim Einfahren in den fließenden Verkehr (10%)”

    und:

    “Ein Drittel der Kraftfahrer vergewissern sich nicht ausreichend, ob Radverkehr queren will.” (wobei ich hier davon ausgehe, daß sie dies ob der Führung des Radverkehrs gar nicht können, bzw. es ihnen arg erschwert wird)

    Ich nehme da einfach mal meine eigene Statistik: ich fahre so oft es geht Fahrbahn und die einzigen brenzligen Situationen mit rechtsabbiegenden Kfz passieren mir auf Radwegen – ausnahmslos. Und nein, ich nutze meine Räder nicht als Spiel-, Spaß- und Freizeitgerät, sondern täglich.

  4. Martin Ko sagt:

    Claudia Böhm schreibt:
    “Auch die BAST-Studie kommt zu dem Schluss, dass Radwege und Straßen für Radfahrer etwa gleich gefährlich sind.”

    Die BASt hat dabei wohl die Kreuzungen weggelassen, Zitat aus “2.4 Unfallanalysen” (Hervorhebung von mir):
    “[Radfahrerunfälle] auf den Streckenabschnitten der Untersuchungsstraßen außerhalb von Verkehrsstraßenknoten für die Auswertung linienhafter Unfallkenngrößen herangezogen.”

  5. Alfons Krückmann sagt:

    Sorry,

    aber ich halte diesen Artikel für polemisch, anmassend, dogmatisch und diffamierend, auch wenn er zunächst in “nettem” und naiv-offenem Schreibstil daher kommt.

    Warum wird hier – mal wieder – die Forderung nach Abschaffung der Benutzungspflicht suggestiv in den Kontext einer angeblichen Einschränkung bei RVA gestellt???
    Das stellt eine unlautere Verdrehung der Fakten dar:

    die Aufhebung der Benutzungspflicht hat nichts mit einem Verbot der Radwegbenutzung oder einem Verbot bzw. einer Einschränkung des Radwegebaus zu tun.
    Lediglich das Verbot der Fahrbahnbenutzung soll dabei aufgehoben werden.

    Wer – bar jeglicher Fakten – suggeriert, dass die Aufhebung der Benutzungspflicht irgendwelche Rechte von RadwegebenutzerInnen einschränkt, der/die ist m.E. nicht an der Verbesserung des Radverkehrs als Alternative zum MIV interessiert, sondern beteiligt sich an der Einschränkung des Radverkehrs auf die Formel “Fussgänger auf Rädern”, sowie Radfahren als Bestandteil der Tourismus- und Sportindustrie.

    Zukunftsfähige Radvekehrsinfrastruktur hat m.E. zwingend die prinzipielle Heterogenität des Radverkehrs zu berücksichtigen.
    Es gibt nicht nur die ‘Sportradler’, die ‘Wald- und Flur-Radler’, oder die Fussersatzverkehr-Kurzstreckenradler, sondern es gibt auch eine (hoffentlich) größer werdende Zahl an Radfahrenden, die das Fahrrad als möglichst vollwertigen Ersatz für den MIV einsetzen wollen.
    Dazu braucht es ein geeignetes Verkehrsnetz.
    Wollen wir noch mind. 20 – 40 Jahre warten, bis (wenn es gut läuft) mal annähernd ein NL-Standard auf separierten benutzungspflichtigen und BENUTZUNGSFÄHIGEN Wegen erreicht wird?
    (Falls es in Anbetracht der in den Länderverfassungen und auf anderen Ebenen fest verankerten “Schuldenbremsen” überhaupt jemals dazu wird kommen können!!!
    Der Aufbau eines benutzungsfähigen separaten Radverkehrsnetzes dürfte für ganz D weit im dreistelligen Milliardenbereich liegen. Und das in einer Zeit, wo schon seit langem marode Brücken selbst auf zentralen Autobahnen für LKW gesperrt sind.)

    Hierauf geht der Artikel nicht ein und bleibt jegliche Antwort schuldig.
    Ich jedenfalls merke in den letzten Jahren, dass mein Alltagsverkehr (mit dem Rad) durch zunehmenden flächendeckenden Bau von benutzungspflichtigen untauglichen Radwegelchen und schmalen Streifchen immer beschwerlicher wird.
    Die Oberflächen sind holprig während nebenan eine Top-Fahrbahn für Autos reserviert ist.
    Die Fahrtzeit steigt, und bei langen Strecken tun die Gelenke weh.
    Vorfahrtsstrassen für Autos werden durch benutzungspflichtige Radwege regelmässig (ERA-konform!) zu untergeordneten Strecken für die parallel fahrenden Radfahrer, die dauerndes Anhalten erfordern und bei denen man alle Nase lang über irgendwelche Mittelinseln hoppeln muss, etc, etc, etc.

    Die Frage nach der Benutzungspflicht betrifft also nicht nur die Sicherheitslage, sondern auch die Frage nach Reisegeschwindigkeit/Reichweite und Komfort/Gesundheit.
    Natürlich sind RVA einigermassen sicher, wenn man sie vorsichtig unter Verzicht auf Vorfahrtsrechte und mit angemessen geringer Geschwindigkeit aufmerksam befährt und notfalls auch mal absteigt.

    Das bedeutet aber oft genug auch, dass der Radius des Radverkehrs auf erweiterte Fussentfernung beschnitten wird. Wer will schon 1 1/2 Stunden für 15 KM unterwegs sein?

    Der ADFC hat schon vor langer Zeit eine griffige und sachlich richtige Formulierung gefunden, die die Zwiespältigkeit der separierten RVA auf den Punkt bringt und gut auflöst:
    “Gute Radwege brauchen keine Benutzungspflicht”.

    Wer dahinter zurück will erweist dem Radverkehr einen Bärendienst und trägt dazu bei, dass all die, die auch mal etwas weitere Wege mit dem Rad zu fahren haben auf Dauer aufs Auto oder Motorrad/Roller umsteigen.

    Radverkehr braucht nicht noch mehr Verbote (Benutzungspflichten und Streckenverbote durch Z.254), sondern endlich angemessene Verkehrsverbindungen.
    Oft genug wird das genaue Gegenteil gemacht: vormals gut zu befahrende Strecken werden durch benutzungspflichtige Radwege erheblich verschlechtert.

    Im übrigen kann ich recht gut für mich selbst entscheiden, wann ich mich wo auf welcher Fahrbahn oder auf welchem Radweg sicherer fühle.
    Da brauche ich keine Behörden, die mir mir bestimmte Strecken oder Strassenteile verbieten, und die dann auch noch dreist mit meiner angeblich von mir empfundenen “subjektiven Sicherheit” argumentieren.

    Ausnahmen sind natürlich ggf. sinnvoll, wie etwa das Fahrbahnverbot für kleine Kinder.
    Die sind aber auch noch nicht mündig, und das ist seit langem in der StVO geregelt.

    Ich hingegen bin als Erwachsender nicht bestrebt mich künstlich infantilisieren zu lassen.
    Weder von Behörden, noch von ArtikelschreiberInnen, die die zahlreichen Fahrbahnverbote dogmatisch verteidigen.
    Um es nochmal deutlich zu sagen:
    bei Aufhebung der Benutzungspflicht dürfen die Radwege weiterhin benutzt werden!
    Die Radwege haben in selbem Umfang unterhalten zu werden, und die Kriterien der ERA haben genausogut Anwendung zu finden. Der einzige Unterschied besteht im Benutzungsrecht der Fahrbahnen. Davon profitieren gerade auch die Radwege-BenutzerInnen, da gerade diejenigen, die schnell unterwegs sind, nicht mehr sich und andere in gefährlichen Überholmanövern auf schmalen Radwegen gefährden, oder gar auf den Gehweg ausweichen und dort auch noch die Fussgänger in Gefahr bringen.

    Besonders ärgerlich finde ich es, wenn dann – wie in obigem Artikel – Diffamierungen a la “Mantra-Sänger” verwendet werden zur Stigmatisierung all derer, die selbst entscheiden wollen, wo sie sich in der jeweiligen Situation mit dem Fahrrad besser / sicherer aufgehoben fühlen.

    Sowas födert nur die von den Auto-lobbyisten immer wieder angefachten emotional ausgetragenen Kontroversen der Radfahrenden untereinander.

    Mehr Sachlichkeit täte gut, diffamierende Artikel – wie der obige – nutzen m.E. niemandem, ausser vielleicht denen, die die drohende Ausbreitung des Radverkehrs durch Fahrverbote eindämmen wollen.

    • Norbert Paul sagt:

      Ich bin dafür, dass es endlich auch ein Ziel wird, dass “sich sicher fühlen” mit “sicher sein” in Deckung gebracht werden soll. Subjektives Sicherheitsempfinden darf beim Radverkehr nicht weiterhin seine Wurzeln in der Idee der autogerechten Stadt, den Phatasien einer scheidenden fundamentalen Autolobby etc. haben, sondern muss sich aus empirischen Fakten und tragfähigen städtebaulichen Konzepten speisen. Wir müssen dahin kommen, dass sich jeder mit dem Rad auf der Fahrbahn in der Stadt, in Dörfern zu Recht sicher fühlen kann. Vernünftige Separierung innerorts braucht viel zu viel Platz (= Kosten). Nur an wenigen Stellen ist so viel Verkehr, dass eine Trennung der Verkehrsarten nicht bedeutend mehr Platz braucht und die geschaffene Infrastruktur ausreichend ausgelastet ist. Wir müssen dahin kommen, dass keiner mehr Angst vor rücksichtslosen Autofahrern hat – was vemutlich das Kernproblem hinter dem subjektiven Unsicherheitsempfinden ist.

      Ich fange also an bei der Frage, in welcher Stadt, in welchem Dorf ich leben möchte und nicht beim Status-quo mit rücksichtslosen Autofahrern und Auslagerung des Abstellen privater Metall-Kunststoff-Kombinationen in den öffentlichen Raum.

  6. Matthias sagt:

    Diese Studien wurden manipuliert. Das bedeutet, dass zur Interpretation wichtige Details im Fliesstext versteckt wurden, anstatt in den Hinweisen zum Studiendesign offen aufzuführen, dort wo jeder sie vermutet. Dass diese Manipultion greift, sieht man an Deiner Interpretation der Studienergebnisse.

    Beispiel: Lies mal aufmerksam die UDV-Studie durch, dann wirst Du sehen, dass zu den Unfällen im Mischverkehr auch die Unfälle auf dem Gehweg gerechnet wurden. Seite 78: “Für 291 Rechtsabbiegeunfälle konnten den Unfallhergangsbeschreibungen bzw. Unfallskizzen die entsprechenden Informationen entnommen werden. Dabei zeigt sich, dass bei Radverkehrsführungen im Mischverkehr bei Rechtsabbiegeunfällen Ab-Rf sehr häufig der Seitenraum genutzt wurde

    Das toll daran ist: hat man eine Straße ohne Radweg (Mischverkehr), auf der täglich hunderte Radfahrer auf der Fahrbahn fahren, ohne in Unfälle verwickelt zu werden, kann man die 10 Radfahrer, die auf dem Gewehg beim Rechtsabbiegen angefahren werden, als Opfer des Mischverkehrs deklarieren und ohne rot zu werden schreiben, dass der Mischverkehr im Hinblick auf Rechtsabbiegerunfälle besonders gefährlich sei.

    Ähnliche Tricks wurden auch in der BASt-Studie angewendet.

  7. Ronny sagt:

    Ein Thema was anscheinend stark von Emotionen überlagert wird.
    Ich meine, die Rechtslage gibt uns inzwischen wesentlich mehr Möglichkeiten im Straßenverkehr als vor 10 Jahren, so das wirklich jeder nach seinem Empfinden entweder die Fahrbahn oder den Radweg nutzen kann. Diese Auswahl muss man auch jedem selber überlassen, auch wenn ich der Meinung bin, dass mehr Radler auf der Straße die Autofahrer sensibilisieren/weiterbilden würden und somit weniger Gefahr für die Radler entsteht.

    • Norbert Paul sagt:

      Sobald es dubiose nicht benutzungspflichtige Radwege gibt, denken viele aufgrund der hohen benzin- und schadstoffgeschwängerten Luft im inneren einen Autos, dass es eine moralische Pflicht gibt, diese zu benutzen um den Verkehr nicht zu behindern. Was muss erst in den Köpfen vorgehen, wenn jemand auf der Fahrbahn direkt neben einen ERA-konformen nicht benutzungspflichtigen Radweg fährt. Da wird dann gehubt und geschnitten, um den Rüpelradler auf den rechten Weg zu bringen …

      • Ronny sagt:

        Ja, diese Autolenker gibt es, aber nicht so viele, wie man immer meint.
        Bei diesen halte ich vor den Autos an, stelle mein Rad ab, und stelle diesen zur Rede.
        Völlig uneinsichtige oder wirklich rüpelhafte Lenker bringe ich dann auch zur Anzeige.
        Manche, sehr wenige, lernen es auch nur so.

  8. Sagen denn hier nur Männer was? =) Na, dann mal ein bißchen andersrum denken – könnte ja dann auch ganz hilfreich sein. Frauen fahren sowieso anders Rad, weil auch ihre Teilnahme am gesellschaftlichem Lebens ganz anders ist. Daher ist es wichtig, daß wir andere, diversere und nicht nur Männer- Stimmen hören wenn es um Radfahren geht. Ich, auf jeden Fall, stimme da Claudia ganz zu.

    • Norbert Paul sagt:

      Klar, Frauen sind so total anders anders als Männer. Weil irgendwann einmal Menschen, die in die Kategorie Frau gesteckt wurden (und auch welche, die der Kategorie Mann gelandet waren), angefangen haben, diese weitreichende Zweiteilung in Frage zu stellen, dürfen Frauen heute überhaupt auch Blogs betreiben (und nicht nur das tun, was sie angeblich von Natur aus am besten können wie Putzen).

  9. Manche Untersuchungen muss man sich sehr genau anschauen: Bei der hier von mir vorgestellten UdV-Untersuchung seiht beim Blick auf die Tabellen der Mischverkehr genauso gefährlich aus wie die Radverkehrsanlagen. Gefährlch an den MischverkehrsFÜHRUNGEN war aber, dass ein Teil der Radler aus Angst auf dem Gehweg geradelt ist. Deren tatsächliche Gehwegunfälle hat man einfach dem Mischverkehr zugerechnet. Fazit: Mischverkehr ist an Knoten sicherer als Radwege. Gefährlich ist die Angst vor dem Mischverkehr, die auch in diesem Forum von ein paar Bauernfängern geschürt wird.

    UdV Forschungsbericht Nr. 21 – Abbiegeunfälle Pkw/Lkw und Fahrrad

    Auszug aus Tabelle 12 (Seite 75)

    Unfälle: Rechtsabbiegende KFZ gegen Fahrrad (eig. Anm.: nach VerkehrsFÜHRUNG)
    Absolut pro RF pro KFZ pro Rf x KFZ
    mit LSA:
    Mischverkehr 29 2,6 0,6 9,3
    Rd/Sch-Streifen 19 1,5 1,3 6,5
    RW+F4m 58 2,2 0,6 10,9

    ohne LSA:
    MV 14 od. 19** 1,6 1,6 21,0
    RS+Furt 3 3,3 wegen geringer Gesamtzahl Rate nicht berechnet
    RSØFurt 1 wegen geringer Gesamtzahl Rate nicht berechnet
    RW+F4m 14 6,5 23,6 80,7
    RW ohne Furt 13 2,0 2,5 14,6
    Furten nach Abstand vor der Geradeausfahrbahn unterschieden

    Die Zahlen haben mich in Erstaunen versetzt, denn eigentlich sind doch Radverkehrsanlagen geradezu eine Voraussetzung für die Rechtsabbiegerunfälle,

    Man muss eben auch den Text lesen. Entscheidendes steht auf Seite 78:

    “So beträgt hier der Anteil der an Unfällen Ab-Rf beteiligten Radfahrer, die den Gehweg genutzt haben an KPA ohne LSA 100% und an KPA mit LSA immerhin 57%.”

    Dann sieht die Tabelle auf einmal so aus
    Unfälle: Rechtsabbiegende KFZ gegen Fahrrad (eig. Anm.: nach VerkehrsVERHALTEN)
    Absolut pro RF pro KFZ pro Rf x KFZ
    mit LSA:
    Mischverkehr 13 5* 0,2* 2.1*
    Gehweg 16 11* 0,4* 7,2*
    Rd/Sch-Streifen 19 1,5 1,3 6,5
    RW+F4m 58 2,2 0,6 10,9

    ohne LSA:
    Mischverkehr 0 0 0 0
    Bitte beachten: nicht kein Mischverkehr, sondern keine Unfälle im Mischverkehr!
    Gehweg 14 od. 19** 1,6 1,6 21,0
    RS+Furt 3 3,3 wegen geringer Gesamtzahl Rate nicht berechnet
    RSØFurt 1 wegen geringer Gesamtzahl Rate nicht berechnet
    RW+F4m 14 6,5 23,6 80,7
    RW ohne Furt 13 2,0 2,5 14,6
    Furten nach Abstand vor der Geradeausfahrbahn unterschieden

    * Da bei der Vehrkehrsbeobachtung an diesen Knoten 72% der Radler Fahrbahnverkehr praktizierten, wäre bei gleichem Verkehrsaufkommen das Fahrbahnradeln nur halb so gefährlich gewesen wie das Gehwegradeln. Allerdings kann sowohl das Radlerverhalten als auch das Verkehrsaufkommen an den beiden nach Radlerverhalten zu definierenden Untergruppen sehr unterschiedlich gewesen sein.
    Daher sind diese verkehrsbezogenen Werte mit Vorbehalt zu betrachten.
    ** Widerspruch zwischen den Zahlen in Tabelle und Text

    Fazit: Die Fahrbahnführung des Radverkehrs ist hier eigentlich die sicherste. Unsicherheit entsteht, wenn die Leute durch Unwissen und geschürte Angst statt des sichersten Verhaltens unsichere Schleichwege wählen.

    …………………

    Eine spezielle Bemerkung an Katja: Dein Problem ist doch dass du dir aus Unwissenheit eine Thema für deine Dissertation in Newcastle ausgesucht hast, das voraussetzt, Radwege seien objektiv sicher.

    Statt hier Nebel zu verbreiten, solltest du das Thema deiner Doktorarbeit an das anpassen, was du aus der Unfallforschun in diesem Lande (und einzelnen Arbeiten aus DK und UK) lernen kannst. Vorschlag: “Safety of cycle tracks – How to close the bias between popular confidence and real problems” :)

    Gruß
    Ulrich

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