Das letzte Mal war ich vor rund 25, 30 Jahren in Grindelwald in der Schweiz im Urlaub gewesen. So wollten wir (Eltern, Kindern und Enkelkindern) das lange Wochenende über Himmelfahrt 2015 nutzen, um nochmals mit der gesamten Familie die vergangenen Tage aufleben zu lassen. Diese Chance wollte ich gerne nutzen, einmal mit meinem Fahrrad die Berner-Oberland-Runde über die Große Scheidegg zu fahren, welche schon immer mein Traum war, doch dazu später mehr.
Schon Mittwochnachmittag ging es bei schönem Wetter zusammen mit dem Bulli in Richtung Süden, mein Trekking-Rad, sowie das meines ältesten Neffen hinten auf dem Fahrradträger. Gegen 22 Uhr erreichten wir schließlich unser Ziel. Während die anderen Familienmitglieder in Ferienwohnungen untergebracht waren, hatte ich mein Bett im Hotel Gletscherschlucht am Ende des Talkessels gleich neben der namensgebenden Schlucht. Am nächsten Morgen weckte mich die Sonne. Nach dem leckeren Frühstück machte ich mich sogleich für die anstehende Tour fertig. Da wusste ich noch nicht, was mir an diesem Tag noch bevorsteht. Das Hotel lag auf 996m Höhe, von dort ging es zunächst bergab nach Grindelwald Grund auf 944m. Hier hatte mein Bruder seine Ferienwohnung, denn schließlich wollte mein Neffe mich ja auf meiner Tour begleiten. Jedoch hatte er es vorgezogen, lieber zusammen mit Oma und Opa mit der Kabinenbahn auf den First zu fahren. So bin ich dann gegen 12 Uhr bei schönstem Wetter und rund 25 Grad alleine aufgebrochen, leider etwas spät, wie sich später noch herausstellen sollte.
Der erste Teil führte hinauf in den Ort zur Hauptstraße auf 1034m. Von hier ging es nun entlang der Dorfstraße und Oberen Gletscherstraße mehr oder weniger steil ansteigend bei einigen verlorenen Höhenmetern hinauf zum Hotel Wetterhorn auf 1221m Höhe mit seinem großen Parkplatz.
Ab hier wird die Straße schmaler und ist für jeglichen Kraftfahrzeugverkehr gesperrt. Nur Anwohner mit Berechtigung und im Sommer die Grindelwalder Postbusse dürfen diese befahren, wobei die Postbusse bergauf und bergab immer Vorfahrt vor den Radfahrern und sonstigem Verkehr haben.
Knapp 3 Meter breit und stetig mit 10 bis 14% Steigung ging es in mehreren Serpentinen hinauf auf die Passhöhe der Großen Scheidegg. Die Aussicht unterwegs war hervorragend, vor mit stets das Wetterhorn, hinter mir der Blick in das Tal mit dem Eiger links und Grindelwald Dorf im Kessel. Je höher ich kam, desto mehr Schneereste lagen entlang der asphaltieren Bergstraße. Schon weiter unten hatte ich mir meine lange Winterhose und die Windjacke ausgezogen, denn die Steigung machte mir schon zu schaffen. Aber nicht die Beine, es war mehr die Puste, die mit zunehmender Höhe mich an meine Grenzen führte. Schließlich bin ich nur die Sauerländer Höhen gewöhnt und zudem war es erst mein erster Tag in den Alpen.
Sieben Radfahrer kamen mir von oben entgegen, 1 Mountainbiker überholte mich unterwegs sogar bergauf, sei es ihm gegönnt. Bei mir war der Weg das Ziel, und mein Traum. Um halb vier hatte ich es dann geschafft. Yeah, ich war endlich oben auf 1962 m. Geübte Rennradfahrer schaffen die Strecke unter 45 Minuten, aber gesehen haben sie dabei wohl recht wenig.
Unterwegs hatte ich mir an den Bergbächen meine Wasservorräte aufgefüllt, denn diese gingen beim Anstieg trotz 2,5 Litern Vorrat schnell zu Neige. Nichts ist unterwegs schlimmer als Durst.
Das Bergrestaurant war zu diesem Zeitpunkt noch geschlossen. So nutze ich den kurzen Aufenthalt für eine weitere kurze Rast und ein paar Fotos.
Da ich von der Bergfahrt sehr aufgeheizt war, beschloss ich für die anstehende Abfahrt ins Haslital nach Meiringen wieder meine Winterbekleidung anzuziehen. So konnte mir der Fahrtwind nichts anhaben. Die erste Station war die Schwarzwaldalp auf 1458m.
Hier steht ein altes, wieder aufgebautes Sägewerk, welches mit Wasserkraft durch den Bergbach betrieben wird. Es kann im Sommer besucht werden. Neben dem großem Parkplatz, denn bis hierhin kann die Straße wieder aus dem Tal wieder mit Pkw`s befahren werden, befindet sich zudem ein Restaurant. Nun ging es weiter bergab. Über Rosenlaui ging es mit bis zu 18% kurvenreich hinunter nach Willigen, nicht zu verwechseln mit Willingen im Sauerland.
Seit der Passhöhe war ich nun 18 km und fast 1400 Höhenmeter nur bergab gefahren. Im unteren Bereich erwischte ich einen Ferrari vor mir, der jedoch auf Grund der Enge der Straße und der Kurven nicht sehr schnell fahren konnte, es war ja jederzeit Gegenverkehr zu erwarten. Es muss für ihn eine Schmach gewesen sein, dass er mich mit dem Rad im Rückspiegel nicht abhängen konnte. Auf dieser Strecke erreichte ich auch meine bisherige persönliche Höchstgeschwindigkeit von 62,70 km/h.
In Willigen befinden sich noch Überbleibsel aus Zeiten des Zweiten Weltkriegs, sogenannte Panzersperren aus Beton und Stahlprofilen, erbaut 1942. An der Talstation der Bergbahn zu den Reichenbachfällen machte ich meine erste Station, wo ich auch von einigen Urlaubsgästen aus Asien beratend weiterhelfen konnte. Wofür hat man in der Schule wohl ENGLISCH gelernt? Den weiteren Streckenverlauf hatte ich mir zu Hause nur im Internet angeschaut, meine favorisierte Route führte entlang der Südseite des Brienzer Sees bis nach Interlaken. Das sah doch sehr gut aus.
Von Willigen ging es über kleine Nebenstraßen neben der Bächlischwendi leicht bergab. Hinter dem Flughafen von Meiringen erreichte ich so den See. Hier musste ich mich nun entscheiden, entweder die anvisierte Nord- oder doch die etwas längere Südseite. Ich wollte dann doch gerne meine vorab gewählte Route fahren. Ohje, was für eine Entscheidung.
Als erstes ging es auf 2 km wieder 150 Meter bergauf. Sehr schön finde ich, dass auf kleinen, roten Hinweisschildern für Radfahrer angekündigt wird, was ihn noch so erwartet. Es ging also auf einer recht schmalen Straße hinauf nach Engi (736m), natürlich wieder mit den gewohnten Pausen. Teilweise war die Fahrbahn so eng, dass der Gegenverkehr warten musste, auch auf keuchende Radfahrer, welche sich heraufschinden. Kurz vor der Höhe bekam ich den Hinweis eines Einheimischen, dass ich es sogleich geschafft hätte. Das hörte sich doch mal endlich gut an. Und wirklich, nach rund 100 Metern ging es rechts ab zu den Giessbachfällen. Ich konnte mein Rad mal wieder rollen lassen.
Der Wasserfall war dann schon sehr imposant. Ich stellt mein Rad am Geländer ab und ging zu Fuß hinab zu einer kleinen Brücke über den Wasserfall. Die Gischt das Wasser tat mir gut. Den oberhalb meines Rades vorhandenen Weg, welcher hinter dem Wasserfall herführt, wollte ich mir aber nicht antun. So fuhr ich schließlich weiter und kam, wie nicht vermutet, zu eben jener Brücke, auf der ich doch kurz vorher schon gestanden hatte. Egal jetzt, das macht mir nichts, dachte ich mir und fuhr nach einem kurzen Blick von dannen.
Etwas weiter kam dann eine sehr kurze, starke Steigung, jedoch mit etwas Geröll und dicken Steinen, also mehr was für Mountainbiker. Die 10 Meter habe ich dann lieber geschoben. Aber auch wirklich nur diese 10 Meter, ehrlich! Leicht bergauf und bergab ging es nun oberhalb des Sees auf ordentlichen Wegen durch den Wald. Mit dem Trekkingrad war es aber gut zu fahren.
Aber dann kam eine Überraschung, „20%“ wurden auf einem Schild angekündigt, zudem „Langsam“ fahren. Ich denke, egal welche Richtung, da wird wohl niemand rasen. Für mich ging es zu Glück nur bergab nach Iseltwald (580m). Von oberhalb des Campingplatzes hatte ich eine schöne Aussicht auf den Ort und den See.
Dafür erwartete mich dort auch gleich der nächste Hinweis: 100 Höhenmeter auf 2 km. Danke. Also ging es wieder bergauf, dieses mal nach Sengg (676m), nicht ganz so steil wie beim letzten mal, aber trotzdem genug für mich und mein Fahrrad.
Von hier ging nun wirklich erstmal nur noch hinunter zum Brienzer See (564m). Andere Gäste saßen hier am Ufer, um am offenen Feuer zu Grillen und Picknick machen. Romantik pur.
Das wäre auch was für mich, aber ich wollte ja noch weiter wieder zurück nach Grindelwald. Mittlerweile war es aber schon halb acht. Durch Bönigen hindurch ging es nun entlang der Lütschine in Richtung Wilderswil, dem Eingang des Tales nach Grindelwald. Interlaken ließ ich rechts liegen. Eine SMS meines Bruder wollte wissen, wo ich nun sei. Ich wusste aus seinen Erfahrungen, dass man von Interlaken bis Grindelwald rund 1,5 Stunden mit dem Rad braucht. Das wäre dann um die 21 Uhr geworden. Also gefragte ich ihn, ob er mir nicht entgegenkommen mag. Auf ihn kann ich mich verlassen.
In Wilderswil bin ich dann nicht dem eigentlichen Radweg nach Gsteigwiler gefolgt, sondern der Hauptstraße. So konnte er mich einfacher finden. Über eine alte Holzbrücke kam ich dann in den Ort mit seinem Bahnhof zur Schynige Platte und auch dem Zug der Berner Oberland Bahn nach Grindelwald. Aber ich will ja Radfahren, nicht mit dem Zug. Und Franken hatte ich ja auch noch keine eingetauscht.
Im Ortszentrum hatte ich dann einen tollen Blick auf Eiger, Mönch und Jungfrau, das bekannte Dreigestirn im Berner Oberland.
Im weiteren Verlauf wiesen dann Hinweisschilder immer wieder auf die separate Radroute abseits der Landstraße hin (die Radwegs sind dort übrigens sehr gut ausgeschildert), aber ich folgte weiter der Hauptstraße, welche auch mit gelben Markierungen für Schutzstreifen versehen war. Mein Bruder sollte mich ja nicht verpassen, ich natürlich auch nicht.
Kurz vor Zweilütschinen kam er mir dann schließlich mit seinem Bulli entgegen undsammelte mich auf. Natürlich wäre ich auch gerne noch das restliche Stück bis Grindelwald gefahren, aber dazu hätte ich früher losfahren müssen.
Mir fehlte einfach die Zeit. In den Bergen wird es ja bekanntlich früher dunkel, zudem ich kannte den Weg noch nicht und Abendessen wollte ich auch noch bekommen.
Insgesamt war ich in 4,5 Stunden 66,6 km gefahren, das ist ein Durchschnitt von knapp 15 km/h. 1422m bin ich bergauf getrampelt und 1831m bergab gerollt. Es war eine super Tour, die ich jederzeit wiederholen würde. Die Entscheidung, diese Runde gleich am ersten Tag zu fahren, war genau richtig, denn am folgenden Tag fielen rund 20 cm Schnee.
Aber ich kann nur sagen, es war sehr, sehr anstrengend. Zumindest für mich. Nicht umsonst führen oft Radrennen über diesen Pass. Mein Traum aber war in Erfüllung gegangen.
Lieber Markus,
vielen Dank für Deinen Bericht. Bei dem ganzen (sinnvollen und hochinteressanten) verkehrspolitischen Themen hier im Block, sehnt man sich manchmal nach solchen Zeilen. Sie laden zum Träumen ein. Bitte mach weiter – Du hast ja noch ein paar Touren in petto. ;-)