Vom Radverkehr lernen

Schieben statt fahren? Foto: Stadt Mülheim

Schieben statt fahren? Foto: Stadt Mülheim

Die marode Autobahnbrücke der A40 in Duisburg wird in einigen Jahren von einem Neubau ersetzt. Die neue Autobahnbrücke wird ein städtebauliches Juwel. Wie aus gut unterrichteten Kreisen zu erfahren war, ist eine Finanzierung aus Städtebaufördergeldern möglich. Aus diesem Grund wird hier ein völlig neues Konzept mit internationalem Vorbildcharakter umgesetzt.

Wegen der herausragenden Lage am Rhein bietet sich der Ausbau zum Aussichtspunkt mit Aufenthaltsqualität und als Promenade geradezu an. „Mann soll dort auch verweilen und den Ausblick auf den Rhein genießen können“ sagt dazu ein hochrangiger Planungsamtsmitarbeiter. Dazu werden die vier Fahrspuren auf eine reduziert. Der Systembruch von der Autobahn zum verkehrsberuhigten Bereich soll auch dem Autofahrer mehr Lebensqualität bringen. Schrägparkplätze auf der Brücke auch für Brummifahrer bieten viel Platz und bringen ein perfektes Pausengefühl. Vielfältige Sitzmöglichkeiten, großzügige Regenschutzdächer und eine Bepflanzung sorgen für einen Rastplatz der Superlative. Rasen wird im Bereich der Brücke natürlich nicht erlaubt. Die vorhanden Blitzer werden auf die zukünftig erlaubte Schrittgeschwindigkeit eingestellt. Ab 10 km/h wird es für Raser schon teuer.
Da die neuen Brücken breiter als die bisherigen ausfallen, müssen auch die Anschlussstücke auf beiden Rheinseiten angepasst werden. Dieser Weiterbau ist derzeit aber noch nicht gesichert und wird wohl noch länger auf sich warten lassen.

Erste Konzeptumsetzung in Mülheim

Das Konzept des Systembruchs soll zuerst in Mülheim an der Ruhr im Rahmen der Förderung des Radverkehrs umgesetzt werden. Der zukünftige Radschnellweg Ruhr wird im Bereich der Innenstadt zur Promenade ausgebaut. Es soll durch die quer zur Fahrtrichtung angeordneten, sich verdichtenden Belagsstreifen automatisch ein langsameres und damit achtsameres Befahren erreicht werden und so der Schwerpunkt eines schnellen Radwegs zugunsten einer Aufenthaltsfunktion verschoben werden. Die sich ergebenden unterschiedlichen Ansprüche an die Trasse – einerseits die schnelle Radverbindung zu ermöglichen und andererseits räumlich eng verknüpfte Aufenthaltsflächen zu schaffen – sollen mit dem neu zu bauenden Abschnitt möglichst konfliktfrei gelöst werden. Der Weiterbau Richtung Westen bleibt weiterhin ein Ziel für spätere Jahre.

Kommentar: Sicher gibt es in den Innenstädten der Metropole Ruhr vielfältige Ansprüche an den vorhandenen Platz. Die seit Jahren brachliegende Fläche der Rheinischen Bahn aber im Zuge einer Radschnellwegplanung zu einer Promenade auszubauen ist eine absolute Ignoranz des Radverkehrs. 100 Kilometer quer durch die Metropole Ruhr, aber in Mülheim ist Schluss mit Radverkehr. Statt vier Metern Radwegbreite bleiben noch 3,80 Meter Mischfläche. Die Alternativplanung eines anderen Planerbüros sah zumindest noch 4,50 Meter Breite vor. Eigene Verkehrsflächen für Radfahrer sind in Mülheim wohl unvorstellbar. Radfahren ist Freizeitvergnügen und hat mit Verkehr nichts zu tun.   Obwohl wenige Meter entfernt gerade eine neue Promenade an der Ruhr gebaut wurde muss hier noch eine weitere her.

Die Lokalzeitung WAZ berichtet.

Die Reaktion des Regionalverbandes Ruhr in der WAZ

Der Blog VeloCityRuhr kommentiert.

 

Über Michael Kleine-Möllhoff

Meine Fahrten erledige ich meist mit dem RAD oder dem ÖPNV. Ein Auto benötige ich sehr selten. Verantwortlich bin ich für die Zeitschrift RAD im Pott. Vorstandsmitglied im ADFC-NRW und ADFC-Duisburg.
Dieser Beitrag wurde unter Infrastruktur, Politik, Radverkehr abgelegt und mit , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

8 Antworten zu Vom Radverkehr lernen

  1. Norbert Paul sagt:

    Anderseits wird von der Politik das Auto wohl eher weniger der Freizeit zugeordnet, wahrscheinlich, weil es so stressig ist. ;-)

  2. Reimund sagt:

    Das kommt dabei raus, wenn „Experten“, die ihre Fahrräder nur zur Fahrt von und zur Kneipe nebenan nutzen, hier wichtigen Entscheidungen treffen. Ist ja OK, wenn gleichzeitig Radfahrer und Fußgänger die Verkehrsplanung für die Autofahrer übernehmen. Genauso würde ich übrigens die A40 Brücke gestalten. Echt super! In Mühlheim sollte man alle Straßen in Einbahnstraßen umfunktionieren und die verbleibenden Spuren in Radschnellwege umfunktionieren (funktioniert in Florenz ganz gut), grüne Welle, Brücken und Tunnel für Radfahrer (Niederlande).

    Ich möchte die „Experten“ mal zu folgendem Selbstversuch einladen: 3 mal die Strecke Bochum Mitte bis Zoo Gelsenkirchen (Freitag Nachmittag 17:00). Einmal mit dem Plw, das zweite Mal mit Rad zügig über die „normalen“ Radwege und das dritte Mal mit dem Rad über die Erzbahntrasse. Achtung, die zweite Strecke beinhaltet, wenn man Glück hat, nur drei Nah-Tod Erlebnisse.

    In Sachen Förderung des stetig wachsenden Radverkehrs ist Deutschland noch Entwicklungsland. Überall in Europa ist man da mehr auf Zack. So manches Mal denkt man sich, wo denn wohl die versteckte Kamera ist, aber da ist nie eine. Beispiel meine „Lieblingskreuzung“ in Krefeld Uerdingen: Der Radfahrer muss 4 Ampelabschnitte überwinden und benötigt mindestens 15 min um geradeaus über die Kreuzung zu kommen. 4 Mal Knopf drücken und warten dass Grün kommt, wenn Grün kommt dann springt die nächste Ampel sofort auf Rot. Ein Schulkind hat mir demonstriert, dass ohne Drücken eines Knopfes und vorsichtiges Überqueren einer roten Ampel, die drei anderen Ampel auf Grün bleiben. Ähnliche Ampelschaltungen gibt es auch in Bochum, als Falschfahrer auf dem Radweg der Gegenfahrbahn schalten alle Ampeln einer Kreuzung nacheinander auf Grün, auf der richtigen Seite funktioniert das nicht. Oder auch toll: Der Radfahrer bekommt schon mal vor dem Autoverkehr grün, wenn der querende Autoverkehr noch Gelb hat. Ein Kavalierstart auf dem Ebike wäre sofort tödlich.

    Viele Grüße nach Mühlheim, irgendwann fällt auch da der Groschen und alles wird wieder umgebaut, das sichert ja zumindest einige Arbeitsplätze.

    Gruß
    Reimund

  3. Danny sagt:

    Mich schockiert an der Sache am meisten die (Nicht-)Reaktion des RVR. Was die Mülheimer da vor hatten, war doch schon seit dem Frühjahr öffentlich. Ich hatte geglaubt, das Problem hätte sich erledigt, als der RVR im Mai verkündete, den Eigenanteil der Stadt Mülheim selber zu übernehmen, dachte sogar, das sei die direkte Konsequenz aus diesen Fehlplanungen.

    Und jetzt verkündet Herr Tönnes, der RVR sei “in der Arbeitsphase involviert” gewesen? D.h. sie hätten die Ausschreibungen mitgetragen, die noch nicht einmal eine Trennung von Rad- und Fußverkehr forderten? Und am Tag der Abstimmung im Mülheimer Planungsausschuss hat der Verantwortliche seitens des RVR noch nicht einmal die Entwürfe im Detail angeschaut, die zu dem Zeitpunkt bereits seit mindestens mehreren Tagen öffentlich zugänglich im Ratsinformationssystem auf muelheim.de lagen? Wenn ich für irgendetwas Geld rausrücken soll, dann schaue ich den Leuten, die ich mit der Ausführung beauftrage, gründlicher auf die Finger!

    Ein Rätsel ist mir auch, wie das Ministerium von Michael Groschek, der doch immer so engagiert die Förderung des Radverkehrs im Mund führt, Gelder aus der Städtebauförderung des Landes bewilligen konnte, ohne das an die Bedingung zu knüpfen, die Radschnellwegstandards (bzw. die ausnahmsweise 3 m aus der Machbarkeitsstudie) auf dem Abschnitt einzuhalten. Hat seine Mülheimer Chefin da etwa Druck gemacht? Von wegen Gelder: Wird die EU, die doch das Projekt RS1 als Ganzes fördert, nicht Millionensummen zurück verlangen, wenn das Vorzeigeprojekt auf diesem Abschnitt so sinnlos und mutwillig blockiert wird und damit die verlangte Durchgängigkeit über 100 km nicht mehr gegeben ist? Fragen über Fragen…

    • Norbert Paul sagt:

      Hallo Danny,

      ich würde die Reaktion des RVR eher als höflich formuliert aber inhaltlich als deutliche Mitteilung verstehen, dass man nicht amüsiert darüber ist, dass die Stadt die eigenen Planungen des RVR topediert, die die Stadt angeblich selber unterstützt. Mehr kann der RVR nicht machen, da er keine Macht gegenüber der Stadt hat und das Projekt begraben kann, wenn er in offene und öffentliche Konfrontation zur Stadt M. geht.

      • Danny sagt:

        Hallo Norbert,

        wahrscheinlich liegst du richtig mit deiner Interpretation. Völlige Machtlosigkeit des RVR gegenüber der Stadt MH würde jedenfalls die verschwurbelte Formulierung von Herrn T. erklären. Aber meine Verwirrung wird in dem Fall auch nicht kleiner. Als die Stadt seinerzeit an den RVR herangetreten ist mit dem Wunsch, dass der den ganzen städtischen Eigenanteil übernehmen möge, da hatte der RVR doch die stärkste Verhandlungsposition überhaupt, hätte seine Vorgaben einfach zur festen Bedingung machen können. Wie gesagt, als ich von dem Deal las (im März, nicht erst im Mai), schien mir völlig klar, das das geschehen sei. Vermutlich war ich mit meinem Job in der freien Wirtschaft da einfach nur rührend naiv. Bei uns gibt ganz schlicht die Kohle die Befehlsrichtung vor, während in Politik und Verwaltung offenbar deutlich komplexere Verflechtungen im Machtgefüge existieren.

        Aber wenn der RVR in diesem Spiel tatsächlich nur die Rolle des Kasperle hat, dann wird der RS1 auf ewig ein Torso zwischen MH Hbf und bestenfalls Uni Essen bleiben. In Mülheim durch die Fußgängerzone und in Bochum über die Erzbahnschwinge kann man auch heute schon sein Rad schieben, da braucht kein einziger weiterer Cent aus Steuermitteln für verschwendet werden!

        • Norbert Paul sagt:

          Hallo Danny,

          der RVR ist ja ein Zweckverband der Kommunen (s. https://de.wikipedia.org/wiki/Regionalverband_Ruhr). Wenn man es so will, sitzen sich bei Verhandlungen zwischen Stadt und RVR die Politiker*innen selbst gegenüber. Polemisch vereinfacht. Der RVR ist kein übergeordnetes oder sonst wie unabhängiges Fachgremium.

          Du hast den östlichen Torso vom Hauptfriedhof/Rennbahn in Dortmund nach Hamm vergessen mit der Lücke bis zur Erzbahnschwinge.

          • Danny sagt:

            Yep, die Struktur ist mir bekannt, und beide “Seiten”, falls man davon überhaupt sprechen kann, hantieren mit fremden, also Steuergeldern. Da spielt das natürlich keine große Rolle, aus wessen Budget was bezahlt wird. Trotzdem gebe ich die Hoffnung nicht auf, vielleicht öffnet sich doch noch der Himmel und es regnet Vernunft auf die Verantwortlichen!

            Anfang der 50er Jahre lebte der beste Kumpel meines Duisburger Vaters in Dortmund, und die beiden Jungs haben sich immer gegenseitig mit dem Fahrrad besucht und auf dem Rückweg jeweils noch bis Essen begleitet. Damals gab es schon einen Radschnellweg, der zwar nicht so hieß, aber sich als breites Band neben der B1 durch das ganze Ruhrgebiet zog. Mein Vater schwärmt noch heute davon. DAS wollen wir wiederhaben, nicht “Irgendwas-mit-Radweg”, und dafür lohnt es sich, zu kämpfen! :-)

  4. Thorsten Boehm sagt:

    Ehrlich: Ich hab erstmal nachgeschaut, ob das nicht ein Betrag vom 1. April ist …

Schreibe einen Kommentar zu Thorsten Boehm Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert