Anton Loibl, der Pedalreflektor, die SS und deutsche Vorschriften

Pedalreflektor StVO 1937

StVO 1937 § 25: Pedalreflektoren.

Im Zeitalter des Z-Reflektoren mit integriertem LED-Rücklicht und Standlichtfunktion ist der Pedalreflektor ein Anachronismus. Und er hat eine unrühmliche Vergangenheit.

Anton Loibl war schon in den 1920er Jahren für lange Zeit Adolf Hitlers persönlicher Chauffeur. Der SS-Hauptsturmführer war schon 1923 am Hitlerputsch in München beteiligt. Nebenher war er aber auch Tüftler und Erfinder. Um Fahrräder nachts besser sichtbar zu machen, erfand er den Pedalreflektor. Damals waren Fahrräder anders als heute von hinten kaum erkennbar. Ein Rücklicht war nicht vorgeschrieben, nur ein kleiner roter Rückstrahler (“Katzenauge”). Vorne gab es oft nur eine Karbidlampe. Noch 1956 war keine elektrische Fahrradbeleuchtung vorgeschrieben (Bundesgesetzblatt, StVZO 1953 und 1956, § 67).

Loibl war nicht der einzige und wahrscheinlich nicht der erste, der einen Pedalreflektor erfand, aber er hatte die richtigen Kontakte. 1936 gründete die SS zusammen mit Loibl  die “Anton Loibl GmbH”, um seine Erfindung zu vermarkten.  Anton Loibl beantragte und erhielt am 11. Juni 1937 ein Deutsches Reichspatent auf seinen “Tretrückstrahler”.

Am 13. November 1937 erließ Himmler eine neue “Verordnung über das Verhalten im Straßenverkehr”, die im § 25 die Ausrüstung mit Toni Loibls „TOLO-Tretstrahler“ für alle Fahrräder auf deutschen Straßen verpflichtend machte. Die Hersteller mussten Loibls Design verwenden und Lizenzgebühren an die “Anton Loibl GmbH” zahlen. Ab 1.10.1938 sollten die Pedalreflektoren den roten Rückstrahler ersetzen.

Die Pedalreflektoren sind bis heute Vorschrift an allen Fahrrädern, auch an Rennrädern und Mountainbikes. Auch ist die Bauart nach wie vor vorgeschrieben. Die Reflektoren müssen eine deutsches Prüfzeichen haben (Wellenlinie und K-Nummer). Der Witz ist: Solche vorschriftsmäßigen Pedalreflektoren sind kaum zu bekommen. Viele Händler (einschließlich Internet) haben gar keine Pedalreflektoren im Sortiment oder sie haben nur Reflektoren, die kein deutsches Prüfzeichen haben, z.B. von Cateye. Auch die Firma Busch & Müller z.B. hat zwar Speichenreflektoren im Programm, aber keine Pedalreflektoren.

Wer aber Fahrzeugteile ohne Prüfzeichen in Deutschland gewerblich anbietet oder verkauft, begeht nach § 23 Straßenverkehrsgesetz eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer Geldbuße bis zu fünftausend Euro geahndet werden kann.

Interessiert nur keinen.

Zum Nachlesen:
http://campcatatonia.org/article/2137/Querfinanzierunghistorischbetrachtet
https://www.adfc-nrw.de/kreisverbaende/kv-bielefeld/adfc-bielefeld/bielefelder-radnachrichten-archiv-2000-2013/2010/der-fall-tolo.html
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-46173231.html (25.12.1963)
https://en.wikipedia.org/wiki/Anton_Loibl_GmbH (englisch)

Über Klaus Kuliga

Seit 33 Jahren Arbeit an demselben Projekt: Aus Bochum eine fahrradfreundliche Stadt machen. Eine fahrradfreundliche Stadt ist eine Einladung zum Rad fahren. Immer, überall, für jeden.
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13 Antworten zu Anton Loibl, der Pedalreflektor, die SS und deutsche Vorschriften

  1. Johann sagt:

    Deutsche Bürokratie (Prüfzeichen) mal hin oder her, die Pedalreflektoren sind noch mit die beste Möglichkeit sich sichtbar zu machen. Es ist das erste, was im Lichtkegel (Abblendlicht) sichtbar wird. Reflektoren in Gepächträgerhöhe oder gar Warnwesten sind dann noch lange nicht zu sehen und haben zudem den Nachteil, dass sie sich relativ zum nachfolgenden Verkehr nicht bewegen. Die durchschnittliche Rückleuchte von Fahrrädern geht in der lichtbelasteten Stadt häufig völlig unter. Blinkies mögen zwar größere Aufmerksamkeit erregen, dies aber nur auf Kosten der Nicht-Blinker, zudem sind sie eine Zumutung für alle Hinterherfahrenden.
    Nervig ist doch nur, und damit sind wir wieder bei der Bürokratie, dass die Bauart vorgeschrieben ist, und dass man wie auch schon bei der Beleuchtung sinnvolle und technisch mögliche Sachen nicht verwenden darf.

    • Chip sagt:

      Sehr witzig. Wie soll denn bitte schön bei einem Klickpedal ein sichtbarer Pedalreflektor angebracht werden. Stattdessen sollte lieber das blinkende Rücklicht zugelassen werden. Das bringt wirklich Sichtberkein von hinten.

      • Norbert Paul sagt:

        Blinkende Rücklicht sind gefährlich für andere, weil das Auge sich andauern umstellen muss und der hinter einem dann blind fährt oder warten muss. Und wer weiter weg ist, kann die Bewegung nicht einschätzen.

      • Warbende sagt:

        Hi Chip,
        Gibt doch extra Pedalreflektoren zum Schrauben. Habe selbst Klickpedale und da gibt es auch entsprechende Rückstrahler für. Vorm Schreiben solltest Du besser denken.
        Gruß Wulf

  2. Markus MK sagt:

    Letzteres ist weiten Teilen der Bevölkerung, der Behörden oder der Politik offenbar völlig gleichgültig. Mir inzwischen auch, solange es nicht blendet. Aber das tun Kraftfahrzeuge ja schon mit Abblendlicht…
    Die schlechte Sichtbarkeit der Fahrradrückleuchten hat Reflektoren ja so lange interessant gemacht.
    Für die Nachrüstung der Pedale gibt es doch retrorefletkierende Folien von der Kleberolle in weiß, rot, gelb, bei mir z. B. mit E 13 gekennzeichnet. Die passen überall hin, sind ohne Schrauben und man spart Gewicht. Je nach Fahrradtyp lässt sich die Pedale sowieso nicht erkennen (z. B. Verlkeidung, auch durch Straßendreck oder Stöckelschuhe verschmutzt ;-) Also eigentlich so ziemlich die überflüssigste Sicherheitseinrichtung am Fahrrad im Gegensatz zu einem selbst außerorts nichtzugelassenen Rotlicht…

    • Ich nutze am Crossrad auch E13 Folie in rot statt Rückstrahler. Und vorne schwarze Folie, die weiß reflektiert. Aber beide sind fürs Fahrrad eigentlich nicht zugelassen, auch wenn die Reflektionswirkung mindestens gleich gut ist.

  3. Martin Isbruch sagt:

    Sehr schick übrigens auch am Liegerad, wenn die Pedalreflektoren eher das Suchlicht des Polizei-Helikopters reflektieren als tatsächlich zur Sichtbarkeit im Straßenverkehr beizusteuern.
    Habe da tatsächlich schon mal Eigenkonstruktionen mit ins Pedal geklebten Reflektorenscherben gesichtet…
    Merke: Bei Liegend Fahrenden geht’s schon mal gar nicht legal. Interessiert aber wohl genauso viele.

    • Johann sagt:

      Es wird ja schon bei der Radwegeplanung überhaupt nicht in Betracht gezogen, dass es andere Formen des Fahrrades gibt als eben das 0815-Upright. Kann sehr gut erleben, wenn man z.B mal mit Liegerad, Anhänger oder Lastenrad unterwegs ist. Da tun sich Barrieren auf, mit denen man sonst ja noch irgendwie klarkommt:
      – engstehende Poller
      – nicht abgesenkte Bordsteine
      – Drängelgitter
      – enge Kurvenradien
      – generell zu schmale Wege
      – zu schmale (zu kurze) Aufstellflächen, insbesondere bei Querungsinseln
      – ungeeignete Abstellanlagen

      ließe sich sicher noch fortsetzen.

      Da würde ich nicht im entferntesten erwarten, dass bei der technischen Ausstattung von Fahrrädern sinnvolle Vorschriften existieren. Es ist mal wieder sinnlos überreguliert.

  4. Norbert Paul sagt:

    Über die Sinnhaftigkeit dieser Reflektoren habe ich bisher nie nachgedacht.

  5. N.M. sagt:

    | Im Zeitalter des Z-Reflektoren mit integriertem
    | LED-Rücklicht und Standlichtfunktion ist der
    | Pedalreflektor ein Anachronismus.

    Ein Anachronismus ist die *komplette* gesetzliche Regelung zur Fahrradbeleuchtung und die daraus resultierende am Markt verfügbare (legale) Beleuchtungstechnik. Sämtliche erhältlichen Fahrradrücklichter (besonders die meisten der in den Z-Reflektor integrierten) entsprechen nicht den Anforderungen an gut sicht- und vor allem erkennbare und zu ortende Rücklichter (zu klein und punktförmig; selbst die “LineTec”-Linie von b&m ist doch ein Witz).
    Die Pedalreflektoren wären dann ein Anachronismus, wenn eine _gute_ Fahrradbeleuchtung entsprechend verbreitet wäre. Ist sie nicht.

    | Und er hat eine unrühmliche Vergangenheit.

    Das ändert genau was an der Sinnhaftigkeit oder Zweckmäßigkeit?
    Die (zweifellos wissenswerte) NS-Geschichte ändert ja nichts daran, ob die Pedalreflektoren heutzutage noch sinnvoll sind oder nicht.

    Diesbezüglich habe ich vor ungefähr zwei Jahren meine eigene Meinung neu überdenken müssen:
    Sie sind sinnvoller als gedacht. Hier meine Erfahrungen in einem anderen Blog-Kommenter (etwas anderer Zusammenhang, ungefähr mittig):
    http://www.rad-spannerei.de/blog/2013/09/05/erhoeht-reflektierende-kleidung-die-sicherheit-von-radfahrern/#comment-66948
    Traurig ist, dass die Pedalreflektoren noch einen so hohen Anteil an der Wahrnehmbarkeit haben. Noch ist die übliche Fahrradbeleuchtung keineswegs wirklich brauchbar. Ich wünsche mir, dass die Pedalreflektoren tatsächlich unnötig werden, weil Fahrräder eine gute aktive Beleuchtung haben dürfen (die gesetzlichen Beschränkungen diesbezüglich sind der wahre Anachronismus).

    | Die Pedalreflektoren sind bis heute Vorschrift an allen Fahrrädern,
    | auch an Rennrädern und Mountainbikes.

    Das ist kein besonderes Merkmal der Pedalreflektoren sondern gilt für die gesamte Beleuchtung. Sie ist Vorschrift an allen Fahrrädern, die am Straßenverkehr teilnehmen. Komischerweise regt sich nie jemand auf, dass Formel-1-Autos gar nicht am Straßenverkehr teilnehmen dürfen. Wenn ich am Straßenverkehr teilnehmen möchte, nehme ich eben ein dafür geeignetes Fahrzeug. Fahrräder lassen sich diesbezüglich leicht nachrüsten.

    | Auch ist die Bauart nach wie vor vorgeschrieben.

    Inwiefern?

    | Die Reflektoren müssen eine deutsches Prüfzeichen haben
    | (Wellenlinie und K-Nummer).

    Ja, das gilt für alle Beleuchtungsteile, hat aber nichts mit vorgeschriebener Bauart zu tun, sondern damit, dass ihre Wirksamkeit überprüft wurde.

    | Der Witz ist: Solche vorschriftsmäßigen Pedalreflektoren sind
    | kaum zu bekommen.

    Die meisten mit Reflektoren ausgestatteten Pedale haben ein Prüfzeichen an den Reflektoren. Es ist in der Tat merkwürdig, dass diese Reflektoren nicht einzeln im Handel zu erhalten sind. Andererseits stellt sich die Frage, wie sinnvoll das ist, erst Pedale ohne Reflektor zu kaufen und diese dann nachzurüsten. Habe ich auch schon ‘mal gemacht; aber es zeigte sich, dass die Pedale sowieso nicht so viel taugten. Ich denke, dann wechselt man bei Bedarf lieber die Pedale, denn im Straßenverkehr stellt man ja doch etwas andere Ansprüche an sie als bei Rennen.

    Gruß,
    N.M.

  6. ElGato sagt:

    Also ich bin immer wieder (nicht immer!) erstaunt wie effektiv diese “anachronistischen” Pedalrückstrahler den Fahrradfahrer frühzeitig dem nachfolgenden Autofahrer als solchen erkennbar machen. Wobei da natürlich auch reflektierende Hosenbänder, Leuchtstreifen an Gamaschen oder am Pedal angebrachte reflektierende Aufkleber ihren Dienst tun können.

    Vorteil: Es bewegt sich und erregt damit Aufmerksamkeit. und man ist als langsamer fahrender Verkehrsteilnehmer erkennbar (ich kann im Stadtverkehr bei 50-60 km/h nicht so mitschwimmen, aber einige Leute in Foren scheinbar das ja können. Respekt!)

    Viel schlimmer sind aber die (wild geschätzt) 40-50% der Radfahrer, die GAR KEIN in Licht an haben im Stockdunkeln. Ich fahre da schon mal einen fast um und der beschwert sich noch. Nee, echt, da fehlt mir jedes Verständnis. Und wenn so einer überrollt wird heißt es wieder “Fahrradfahren ist gefährlich” oder von der anderen Seite “Die Autofahrer sind so respektlos und nehmen Fahrradfahrer nicht ernst”.
    Wenn ein großer Teil der Radfahrer sich selber nicht als Verkehrsteilnehmer für voll nimmt warum sollten andere (Dosenfahrer) das tun? Das gleiche gilt für anderes beliebtes Fehlverhalten von Fahrradfahrern, das den Ruf schädigt.

    Damit sind nicht die hier Mitlesenden gemeint, aber wir sind (leider) nicht die Mehrheit.

    Die meisten, die auf dem Fahrrad unterwegs sind, sind die meiste Zeit Dosenfahrer mit der Dosenfahrermentalität. Das muss geändert werden.

    Gruß ElGato

  7. Super geschriebener und informativer Artikel :-). In diesen Blog werde ich mich noch richtig einlesen

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