Völlig unkritisch: Fröhliches Rundradeln mit der kritischen Masse

Ingo Wolff (links) erhält von Andreas Domanski (Mitte) die Urkunde zum "Radler des Jahres".

Ingo Wolff (links) erhält von Andreas Domanski (Mitte) die Urkunde zum “Radler des Jahres”.

Heute war es wieder so weit: 3. Freitag im Monat und damit Zeit zum Rundradeln in Viersen. Also ab zum Gereonsplatz, wo man sich um 19:00 Uhr trifft. Nachdem in den letzten Monaten die kritische Masse, also 16 Teilnehmer, nicht erreicht worden sind, hatten wir für dieses Mal viel Werbung im ADFC gemacht. Mit Unterstützung aus Heinsberg, Mönchengladbach, Krefeld und Kempen erreichten wir heute über 40 Teilnehmer. Dafür einen herzlichen Dank!

Wir hatten nämlich vereinsintern aus gutem Grund getrommelt: Jährlich vergibt der ADFC Krefeld/Kreis Viersen die Auszeichnung “Radler des Jahres” an Personen, die sich in besonderer Weise für den Radverkehr verdient gemacht haben. In diesem Jahr fiel die Wahl auf Ingo Wolff, der sich für die CM-Veranstaltungen in Viersen engagiert. Auf seiner Webseite kritischemasseviersen.com bewirbt er die Veranstaltungen und berichtet darüber. Normalerweise verleihen wir die Auszeichnungen auf dem Niederrheinischen Radwandertag Anfang Juli. Auf dieser sehr touristisch geprägten Veranstaltung wäre eine Preisverleihung sicherlich schwierig gewesen, so dass wir uns entschlossen haben, die Urkunde anlässlich der heutigen Veranstaltung zu übergeben und mit tatkräftiger ADFC-Unterstützung auch dafür zu sorgen, dass die kritische Masse überschritten wird.

Nun ist hier schon mehrfach der Begriff der kritischen Masse (Critical Mass) gefallen. Aber was ist das eigentlich? In der Atomphysik bezeichnet man mit der kritischen Masse diejenige Menge Uran, die für eine kontinuierliche Atomspaltung erforderlich ist. Nun wissen wir alle, dass man Atomkraft friedlich und auch weniger friedlich einsetzen kann. Ähnlich ist es im Straßenverkehr: Auch dort spaltet eine Critical Mass die Gemüter. Erreicht man mit einer Gruppe von Radfahrern die kritische Menge von 16 Leuten, gelten besondere Regeln. So darf man in Zweierreihen auf der Fahrbahn fahren, auch wenn ein benutzungspflichtiger Radweg vorhanden ist. Ebenso dürfen die letzten Radfahrer der Gruppe auch noch bei Rot eine Ampel queren, wenn die ersten Radfahrer sie noch bei Grün erreicht haben, weil die Gruppe quasi wie ein Fahrzeug behandelt wird. Natürlich hat die kritische Masse in der Straßenverkehrsordnung einen anderen Namen, denn dort nennt sich das in Paragraph 27 StVO “Verband”. Mit dieser Form der Veranstaltung fallen Radfahrer im Straßenverkehr deutlich auf. Obwohl sich die Radfahrer im Verband rechtskonform verhalten, fühlen sich Autofahrer häufig provoziert. Das haben wir heute nur in einem Fall erlebt; Es ging also sehr entspannt und unkritisch zu.

Ingo, einen herzlichen Glückwunsch!

Über Jan Bartels

Als Alltagsradler bin ich fast täglich mit dem Rad zur Arbeit unterwegs und genieße es als Ausgleich zum Bürojob. Im ADFC kümmere ich mich um vor allem um den Internetauftritt des Landesverbands. Im Kreisverband bin ich verkehrspolitisch rund um den heimischen Kirchturm aktiv und liefere regelmäßig Artikel für die "Rad am Niederrhein", unserer Mitgliederzeitung (http://www.rad-nr.de).
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15 Antworten zu Völlig unkritisch: Fröhliches Rundradeln mit der kritischen Masse

  1. Ignaz Wrobel sagt:

    Passt das noch in die Zeit?

    NEIN! Keinesfalls!
    Diese Aktionen der Fahrbahnradel Sekte wirft die Fahrradförderung grundlegend zurück. Das ist der falsche Weg!

    Der theologisch studierte ADFC Bundesgeschäftsführer lässt ja glücklicherweise keinen Zweifel daran, dass die 0,1% der ‘strong and fearless’ Fahrbahnradler NICHT die Zielgruppe des ADFC sind, nicht sein sollen, nicht sein können. Im Gegenteil: die Fahrbahnradelei habe die Entwicklung um Jahrzehnte zurückgeworfen. Recht hat er.
    Der Fahrradclub sollte sich da doch mal ein Vorbild an seinem Geschäftsführer nehmen und endlich diese Criticalmass Veranstaltungen politisch korrekt auf den Radwegen veranstalten.
    Gerade in HH und B dürfte das Sinn machen. Dann wird auch der Autoverkehr nicht unnötig von den ‘strong und fearless’ behindert.

    Also: Von alten Zöpfen trennen und Fahrraddemos runter von der gefährlichen Fahrbahn und endlich rauf auf die sicheren Radwege!!!
    Da können dann auch die Kinder und die Alten von 8-88 sicher mitfahren.
    Wie gefährlich diese andauernde Fahrbahnfahrerei ist zeigt ja auch die Tatsache, dass immer wieder eilige Autofahrer die Nerven verlieren und in den langen Pulk der Radfahrer hineinrasen.
    Das muss ein Ende haben.
    Wofür werden denn Radwege gebaut, wenn sie dann doch – absichtlich – links liegen gelassen werden.

    • Das sehe ich etwas differenzierter: Es geht in der Diskussion nicht um das Fahren auf Fahrbahn oder auf einem Radweg, also nicht um ein “entweder oder”. Wie korrekt dargestellt, sind die “strong und fearless” tatsächlich nicht die Zielgruppe des ADFC, denn die kommen auch gut ohne uns klar. Vielmehr ist durch die sog. Portland-Studie ins Blickfeld gerückt, dass es unterschiedliche Gruppen von Radfahrern gibt, die eben auch unterschiedliche Anforderungen an die Infrastruktur stellen. Genannt seien hier beispielhaft die unterschiedlichen Sichtweisen von Radreisenden und Alltagsradlern. Auch der vermehrte Anteil an Pedelecs erfordert vielfach Änderungen an den vorhandenen Radwegen. Die Diskussion dreht sich um “gute” und “schlechte” Fahrradinfrastruktur und nicht vorrangig darum, wo der Radverkehr geführt wird. Wir werden dieses Thema auch auf der nächsten Bundeshauptversammlung in Mannheim im November wieder auf der Tagesordnung stehen haben.

      Es spricht m. E. nichts dagegen, dass es (örtliche) Regelungen gibt, die Radfahrern die Wahlfreiheit lassen: Wer sich auf dem Radweg sicherer fühlt, wählt diesen, wer sich auf der Fahrbahn sicherer fühlt, die Fahrbahn. Das ist nach geltender Rechtlage bereits heute möglich, indem es nicht benutzungspflichtige Radwege gibt. Dort, wo es heute bereits so ist, werden Radfahrer, die auf der Fahrbahn fahren, indes häufig von Autofahrern aus Unkenntnis auf den Radweg verwiesen, obwohl sich die Radfahrer absolut regelkonform verhalten. Auch an diesem Punkt setzt eine CM an: Dadurch dass die Radfahrer gemäß der StVO im Verband auf der Fahrbahn fahren dürfen, machen sie ihren Anspruch deutlich, ganz normale Verkehrsteilnehmer zu sein, für die die StVO in allen Teilen genauso gilt wie für alle übrigen.

    • Norbert Paul sagt:

      Warum von “Fahrbahnradel Sekte” bei harmlosen gemeinsamen Radfahren sprechen? Klingt das differenziert? Klingt das sachlich? Warum nicht mal darüber aufregen, dass tagtäglich Autos die Fahrbahnen verstopfen … Der Begriff ist genauso wenig hilfreich, wie der Begriff ‘strong and fearless’ Fahrbahnradler, der schlicht dazu da ist, selbstbewusste Vielradler zu diffamieren. Aber was ist daran schlimm, wenn jemand viel Rad fährt und das selbstbewusst tut? Das ist nur schlimm für die, die den Radverkehr vor allem eindämmen oder am liebsten ganz abschaffen wollen. Wobei ich dieses damit bezeichnete Schreckensgespenst des sich über der StVO-stehenden Radlers fast nie sehe. Stattdessen sehe ich Infrastruktur, die ohne Regelverstöße nicht funktioniert und behelmte und bewestete Pedelec-Rüpel auf Gehwegen, die mehr gegen die StVO verstoßen als ein Klischee-Radkurrier und dabei deutlich mehr Unbeteiligte gefährden. Aber ich verstehe die Leute. Sie wissen ja, wie sie selber Auto fahren. Und ihnen ist immer eingetrichtert worden, dass Radfahrer*innen Fußgänger*innen sein. Das man das dann irgendwann glaubt, verwundert nicht.

      Du warst auch noch nie auf einer CM; oder? Das ist bunt gemischt. Und das ist Verkehr, der den Verkehr auch nicht mehr behindert als Pendler, die morgens gemeinsam die Einfallsstraßen der Städte verstopfen. Wobei es natürlich toll wäre, wenn die Radwege groß genug wären, dass da mehrere hundert Leute auf einmal drauf passen. Dann sind es Fahrradstraßen ohne Autoverkehr.

      Ach ja: Nicht Radfahren ist gefährlich sondern Autos sind gefährlich. Deshalb muss man als Autobesitzer auch eine Haftpflicht haben. wie gefährlich dieser Autokult ist zeigt ja auch die Tatsache, dass immer wieder eilige Autofahrer die Nerven verlieren und in den langen Pulk der Radfahrer hineinrasen. Das muss ein Ende haben. Solchen Leuten gehört der Führerschein entzogen.

      Und um auf deine Frage zu antworten: Radwege innerorts werden für den Autoverkehr gebaut, um den zu beschleunigen. Selbst in den Niederlanden.

  2. Ignaz Wrobel sagt:

    Ich sehe das auch differenziert.
    Dass jetzt eine Offensive gegen diese ‘Strong and fearless’ gemacht wird finde ich sogar ausgesprochen gut und längst überfällig. Das hat sich ja in den USA gezeigt, dass es sehr erfolgreich ist den Radverkehr auf sichere Nebenwege zu bringen. Es gibt nichts nervigeres als langsame Radfahrer vor sich zu haben, wenn rechts daneben ein Radweg ist.
    Das Problem dürfte sich ja hoffentlich lösen, wenn auch hier wieder mehr Radwege gebaut werden. Es macht doch keinen Sinn den ganzen Autoverkehr zu verlangsamen, nur weil jetzt plötzlich alle auf die Radfahrmode aufsteigen.
    Ich selbst fahre ja auch Fahrrad, da weiss ich wovon ich rede. Man muss beim Radfahren auch mal wenigstens ansatzweise etwas kompromissbereit sein und auch auf nicht absolut perfekten Wegen fahren. Radfahren ist doch realistisch gesehen sowieso mehr was für die Kurzstrecke, schneller als zu Fuß und ohne nervige Parkplatzsuche. Da muss man nicht mutwillig mitten in den Autoverkehr reinbrettern.

    Es gibt aber bekanntlich mehr als nur die Kurzstrecken, und da sollte man den Menschen auch ermöglichen weiterhin zügig mit dem Auto fahren zu können. Schliesslich leben 15 Mio. Menschen hier direkt oder indirekt von der Autoindustrie. Da sollten wir uns doch – bei allem berechtigten Umweltbewußtsein – nicht selbst das Wasser abgraben.
    Rücksichtnahme und Friedliche Koexistenz muss das Ziel sein, und das geht halt am Besten, wenn die Radler auf ihren Radwegen bleiben. Sie schreiben ja auch richtigerweise “Änderungen an den vorhandenen Radwegen” und nicht “rauf auf die Autofahrbahn”.
    Danke dafür.

    Die in den USA kriegen das bereits viel besser hin: auch da ist die Radfahrmode ausgebrochen, aber die bauen jetzt konsequent Radwege. Damit sind alle zufrieden, und auch die Wirtschaft wird nicht abgegraben: mehr Radverkehr in den Städten, aber auch ein erfreuliches Wachstum beim Verkehr:
    3,5% mehr Autoverkehr in den USA setzt durchaus einen wirtschaftlichen Wachstumsimpuls, den wir auch hier gut gebrauchen könnten. Da sollten wir uns mal ne Scheibe von abschneiden. Ich habe mich differenziert damit auseinandergesetzt, und es hat sich bei den Radwegen in USA gezeigt, dass auch der Autoverkehr durch diese Wege um einiges beschleunigt wird. Insofern muss ich den ADFC auch etwas loben, weil der Herr Stork ja auch auf Twitter öfter schreibt, dass der ADFC das gut findet, wenn Lösungen gefunden werden, die auch was für den Autoverkehr bringen. Schliesslich sind wir alle ja auch Autofahrer, und warum sollen wir uns das selbst ein Bein stellen?

    p.s.
    Tipp: Und wenn der Radweg mal ein bischen uneben ist hilft es, wenn mal einfach mal ein wenig Luft aus den Reifen lässt. Dann rast man nicht so, was die Unfallgefahr senkt, und es wird auch alles viel bequemer.

    Vielleicht denken Sie ja doch nochmal differenziert drüber nach, ob es nicht an der Zeit ist ein klares Zeichen für die Abwendung von der ‘strong and fearless’ Fahrbahnradelei zu setzen, und die Critical-mass Demos künftig zunkunftsgerecht auf den Radwegen stattfinden zu lassen?

    • Norbert Paul sagt:

      Meinst du nicht eher

      Es macht doch Sinn den ganzen Autoverkehr zu verlangsamen, egal ob jetzt plötzlich alle auf die Radfahrmode aufsteigen.

      Wie auch immer: Ich selbst fahre ja auch Auto, da weiss ich wovon ich rede. Man muss beim Autofahren auch mal wenigstens ansatzweise etwas kompromissbereit sein und auch nicht auf die eigene Vorfahrt achten und nicht immer auf absolut überdimensionierten Wegen fahren. Radfahren ist doch realistisch gesehen sowieso nicht nur was für die Kurzstrecke, schneller als zu Fuß und ohne nervige Parkplatzsuche. Da muss man nicht mutwillig mitten in den Radverkehr reinbrettern. Es gibt aber bekanntlich mehr als nur die Kurzstrecken, und da sollte man den Menschen auch ermöglichen in Zukunft zügig mit dem Rad fahren zu können. Schliesslich sterben jährlich tausende Menschen direkt oder indirekt durch den Autoverkehr. Da sollten wir uns doch – bei allem berechtigten Schönreden der autoindustrie – nicht selbst das Wasser abgraben. Rücksichtnahme und Friedliche Koexistenz muss das Ziel sein, und das geht halt am Besten, wenn die Autofahrer die Fahrbahn nicht alleine beanspruchen. Sie schreiben ja auch richtigerweise “Fahrbahn” und nicht “Autofahrbahn”. Danke dafür. Die in den USA haben jetzt das Gleiche Problem wie wir: auch da ist die infektiöse Radfahrmode ausgebrochen, aber auch die bauen jetzt konsequent Radwege. Damit sind alle zufrieden, den das dient nicht dem Radverkehr: Eindämmung des Radverkehr in den Städten, aber auch ein unerfreuliches Wachstum beim Verkehr. Wie bei uns. 3,5% mehr Autoverkehr in den USA setzt durchaus eine Warnsignal, dass wir ernst nehmen sollten. Da sollten wir uns mal ne Scheibe von abschneiden. Ich habe mich differenziert damit auseinandergesetzt, und es hat sich bei den Radwegen in USA gezeigt, dass vor allem der Autoverkehr durch diese Wege um einiges beschleunigt wird. Insofern muss ich den ADFC auch etwas kritisieren, weil der Herr Stork ja auch auf Twitter öfter schreibt, dass der ADFC das gut findet, wenn Lösungen gefunden werden, die auch was für den Autoverkehr bringen. Schliesslich sind wir alle ja auch Radfahrer, und warum sollen wir uns das selbst ein Bein stellen?

      p.s.
      Tipp: Und wenn der Fahrbahn mal ein bisschen uneben ist hilft es, wenn mal einfach mal ein wenig Luft aus den Reifen lässt. Dann rast man nicht so, was die Unfallgefahr senkt, und es wird auch alles viel bequemer im SUV. Vielleicht denken Sie ja doch nochmal differenziert drüber nach, ob es nicht an der Zeit ist ein klares Zeichen für die Abwendung von der sinnlosen Autobevorzugung zu setzen, und die morgendlichen Staus in die Einfahrt zum Autoverwerter stattfinden zu lassen?

    • Michael HA sagt:

      Köstlich :-)
      Auch den Alfred Tetzlaff haben damals viele Ernst genommen.

  3. Thorsten Boehm sagt:

    Verkehrsflächen sind nicht beliebig vermehrbar, falls man nicht ganze Häuserzeilen abreißen will. Oder weiter hemmungslos unbebaute Flächen beanspruchen will – mal abgesehen davon, dass sie in Städten kaum noch zur Verfügung stünden. Das führt zwangsläufig dazu, sicher und angenehm zu befahrende Radinfrastruktur u.a. durch Umverteilung von Verkehrsflächen und Verkehrslenkungsmaßnahmen zu schaffen. Was nicht automatisch eine Verbesserung der Bedingungen des Kraftverkehrs bedeutet.

    Aus dieser Erkenntnis heraus hat die ADFC-Bundeshauptversammlung (als höchstes Gremium des Vereins) 2015 die Umverteilung von Verkehrsflächen zu Gunsten des Radverkehrs als Position des Verbandes beschlossen. Sie hat nicht beschlossen, Lösungen zu suchen, die „dem Kraftverkehr etwas bringen“. Im Übrigen hat sie auch nicht die widerlegte These vertreten, dass wirtschaftlich gesunde Einzelhandels- und Dienstleistungsbetriebe in den Städten eine Steigerung des Kraftverkehrs voraussetzten, während eine Steigerung des Radverkehrs wirtschaftsschädlich wäre.

    Und nein: Es ist kein Massenphänomen, dass Radfahrer/innen mit empfohlenem Luftdruck in den Reifen kraftsparend über unebene Radwege „rasen“ und damit signifikante Unfallgefahren heraufbeschwören. Wenn eine angenehm zu befahrende Infrastruktur auch alltagstauglich sein soll, dann gehört zu ihr auch eine möglichst ebene Oberfläche. Anforderungen dieser Art sind nicht übertrieben und finden sich längst auch in technischen Regelwerken. Zu einem unkompliziert zu nutzenden Fortbewegungsmittel und zu angenehmer Infrastruktur gehört wohl eher nicht, je nach Streckenabschnitt am Rad herumzufummeln und Luft herauszulassen bzw. wieder nachzufüllen.

    Die Bezeichnung „Strong and fearless” sehe ich nicht als Diskriminierung oder Herabwürdigung, sondern genauso wie die weiteren Kategorie-Bezeichnungen als den sprachlichen Versuch, eine tatsächliche Beobachtung (über Anteile verschiedener Radfahrertypen an der Gesamtheit) wiederzugeben. Selbstverständlich kann der ADFC mit seinem Engagement auch Dinge tun, die den „Strong and fearless” weiterhelfen. Wenn man aber den Radverkehr insgesamt fördern will, reicht es gerade nicht, sich schwerpunktmäßig diesen zu widmen. Sondern man muss mit seinen Forderungen über das hinausgehen, was den „Strong and fearless” ausreicht. Die Angehörigen der anderen Kategorien zu „Strong and fearless” umzuformen („He, seid doch einfach so wir wir!”), kann realistischerweise nicht das Ziel des ADFC sein, denn das wäre allenfalls per Gehirnwäsche zu leisten. Es müssen nicht die eher Zaghaften dem Kraftverkehr angepasst werden, sondern andersherum wird ein Schuh daraus.

    • Norbert Paul sagt:

      Die Begriff ansich sind sicherlich erst einmal positiv, in der Kombination und auf Englisch sind sie in Dt. aber dazu geworden, Radfahrer (bewusst nur die männliche Form) negativ aus der Gemeinschaft der “normalen” Radfahrer*innen, also den von 8-88, auszusondern als Problemfall. Aber bisher konnte mir keiner erklären, was daran falsch ist, dass es Radfahrer gibt, die selbstbewusst Rad fahren. Das sollen alle in unseren Städten können und die Hindernisse dafür sind abzubauen. Keine*r soll sich auf dem Rad unsicher und ängstlich fühlen (müssen). Das diese bösen Radfahrer selbstbewusst tun, hat was damit zu tun, so meine These, dass diese eben viel Radfahren und damit dieses Bewusstsein bekommen haben. Wenn der Radverkehrsanteil steigt, wird die Anzahl der selbstbewussten Radfahrer*innen steigen. Eine Radpolitik gegen die Vielfahrer*innen ist mittelfristig schon kontraproduktiv. Weil die unsicheren Radfahrer*innen die sicheren Radfahrer*innen von morgen sein werden (wenn es denn klappt) und dann werden auch diese sich fragen, warum sie auf dem Teil der Straße mit dem höheren Rollwiederstand (Betonverbundsteine) fahren müssen oder immer Schlenker fahren müssen, wo sie abbremsen müssen, während man mit dem Auto gerade ausfahren kann. Und keiner wird Ihnen das erklären können, weil das alles nur Sinn macht, wenn man den Vorrang des Autos nicht in Frage stellt. Wir müssen die Leute aber dazu bekommen, dass sie irgendwo anfangen und dann bei den relevanten Strecken (Berufsweg z. B.) angemessene Strecken vorfinden. Wir brauchen 20 Jahre ohne Radwege innerorts, bis die Radfahrer*innen auf der Fahrbahn akzeptiert sind. Dann kann man für Einsteiger nicht benutzungspflichtige Radwege schaffen. Wobei in Zukunft die Leute das eh als Kind lernen sollten und dann gar keine Einsteiger mehr als Erwachsene gibt.

      Es müssen nicht die eher Zaghaften dem Kraftverkehr angepasst werden, sondern andersherum wird ein Schuh daraus.

      Einer Meinung. Bevor es Missverständnisse gibt: Zaghaft und Selbstbewusst schließt sich nicht aus. Hinterm Autolenker sollen ja die ruhigsten Menschen plötzlich aggressive Gaspedaltreter werrden.

      • Thorsten Boehm sagt:

        Möglicherweise gibt es Menschen, die die „Strong and fearless“ mit den Ramsauerschen „Rüpelradlern“ gleichzusetzen. Dem würde ich nicht folgen wollen.

        Der tatsächliche heutige Radverkehr besteht hierzulande nicht nur aus relativ wenigen „Strong and fearless“, sondern zu einem guten Teil auch aus den nächsten Gruppen „Enthused and confident“ und „Interested and concerned“. Insbesondere letztere könnten eine große Gruppe bilden, die zu „umwerben“ sich lohnt, wenn die Radnutzung signifikant gesteigert werden soll. Dadurch werden die „Interested but concerned“ nicht unbedingt zu „Strong and fearless“, weil das nicht allein eine Frage des Lernens ist, sondern eher der Persönlichkeitsstruktur. Zudem können nach meiner Beobachtung z.B. mit zunehmendem Alter, nachlassenden körperlichen Fähigkeiten, höherer Verletzungsanfälligkeit und/oder zunehmendem Kraftverkehr (sowohl hinsichtlich Menge als auch hinsichtlich Aggressivität) routinierte und fahrbahngewohnte Vertreter/innen der „Enthused and confident“ wieder zu „Interested but concerned“ werden. Ihre Bedürfnisse ändern sich und ihnen ist auch bewusst, dass die Betriebsgefahr von Kfz auch bei umsichtigen Kraftfahrer/innen bestehen bleibt .

        • Norbert Paul sagt:

          Mein Reden, dass die Leute sich verändern und die Veränderung hängt mit dem zusammen, was die Menschen erleben.

          • Thorsten Boehm sagt:

            Hm, ich wollte sagen, dass sie nicht unbedingt ihre Persönlichkeitsstruktur ändern können, wohl aber ihr Radfahrverhalten, falls die Radfahrverhältnisse angenehmer werden. Ihr Urteil über die Radfahrverhältnisse speist sich sowohl aus individuellem Erleben als auch aus kollektiven “Einschätzungen”, die z.B. über Medien, Tagesgespräche etc. verbreiten. Etwa: Es gibt eine individuelle subjektive Sicherheit, aber auch öffentlich kursierende subjektive Ansichten darüber, was sicher sei. Diese beiden können durchaus unterschiedlich sein.

            • Norbert Paul sagt:

              Hm, ich wollte sagen, dass sie nicht unbedingt ihre Persönlichkeitsstruktur ändern können, wohl aber ihr Radfahrverhalten, falls die Radfahrverhältnisse angenehmer werden

              Da sind wir ja keiner unterschiedlicher Meinung.

  4. Alexander sagt:

    Als jmd, der das Radfahren als ernste Alternative zum Auto fahren sieht und der mit seinem Fahrrad ca. 15.000km im Jahr zusammenbringt, kann ich behaupten, aus dem Nähkästchen zu sprechen.

    Und um mal ehrlich zu sein, in welcher Zeit leben Sie den eigentlich Herr Ignaz Wrobel.

    Aus eigener Erfahrung sage ich, dass das “Radeln” auf “sicheren” Radwegen oft erheblich unsicherer ist, als auf der Fahrbahn zu fahren. Ich wurde letztes Jahr von einem Auto angefahren, welches in eine Seitenstraße einbog und mich auf dem “sicheren” Radweg “übersehen” hatte.
    Und das ist nicht die einzige Situation gewesen, in der ich in diese gefährliche Situation kam. Die kommt mindestens einmal am Tag vor. Und wer ist dann der Depp, um es mal klar zu sagen, der zurückstecken muss?
    Ich, weil ich sonst nämlich schwer verletzt oder tot auf der Straße liege.

    Ihr Beitrag, Herr Ignaz Wrobel, hat etwas von dem Aufruf des ADAC in den 70ern: “Freie Fahrt für freie Bürger”. Und das passt nicht mehr in unsere Zeit.

    Und ich gehöre ganz sicher nicht einer “Fahrradsekte” oder sonstwas an…es ist wohl eher umgekehrt, wenn ich sehe, wie die “heilige Kuh” des Deutschen angebetet wird.

    Ach ja…um es gleich vorweg zu nehmen…ich gehöre zu der Kategorie Radfahrer, welche sich an Verkehrsregeln hält. Jedenfalls in soweit, wie ich sie als zumutbar empfinde.

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