Kölner Unfallstatistik erklärt

Wer kennt Sie nicht, die Sätze wie: „Radfahrer verursachen die Hälfte aller Unfälle!“ oder „Unfälle mit Radfahrenden werden zu gleichen Teilen von Autofahrenden und Radfahrenden verursacht.“ Doch stimmt das überhaupt?

In der Presse liest man immer wieder, dass Radfahrer die Hälfte aller Unfälle verursachen würden, Radfahrende seien also selbst schuld an den Unfällen. In vielen Kommentaren in den sogenannten „sozialen Medien“ und an den Stammtischen der Stadt kursieren gar noch höhere Zahlen. Doch woher kommt dieser Glaube an die hohe Verursacherquote?

Der Kern liegt in der landesweit weitgehend einheitlichen Darstellung der Unfallstatistik durch die Polizeibehörden. Dort heißt es wirklich „Unfälle mit Radfahrenden werden zu gleichen Teilen von Autofahrenden und Radfahrenden verursacht.“ Kann diese Aussage richtig sein? Wir haben uns das mal anhand der Unfallstatistik der Kölner Polizei näher angesehen.

In den Zeilen sehen wir hier die bei der Unfallaufnahme als Hauptverursacher eingeschätzten Verkehrsteilnehmer. In den Spalten finden wir die Verkehrsteilnehmer, die im Unfallbogen an zweiter Stelle standen. So haben Kraftfahrzeuglenker beispielsweise 435 Unfälle mit Fußgängern verursacht.

Wie rechnet die Polizei?

Die Polizeibehörden rechnen hier immer mit allen Unfällen, an denen Radfahrende beteiligt waren. Im konkreten Beispiel wurden 1.306 von 2.640 Unfällen mit Radfahrenden von Radfahrenden verursacht. Dies entspricht tatsächlich 49% und damit etwa der Hälfte dieser Unfälle. An der Aussage der Polizei ist somit zunächst nichts falsch.

Hier zählen allerdings auch Alleinunfälle, bei denen ein Radfahrer beispielsweise aufgrund eines Schlaglochs stürzt, genauso dazu, wie ein Unfall zwischen zwei Radlern. In diesen Fällen sind natürlich niemand andere als Radfahrer beteiligt und entsprechend kann es auch keinen anderen Verursacher geben.

Wie wäre das bei Autos?

Um die Absurdität der polizeilich veröffentlichten Quote zu verstehen, sollte man diese mit der Entsprechung bei Kraftfahrzeugen vergleichen. Die Frage ist also: Wieviele Unfälle mit Kraftfahrzeugen werden von Kraftfahrzeugführern verursacht?

Da 40.843 Unfälle von allen Unfällen, an denen Kraftfahrzeuge beteiligt waren, von Kraftfahrzeugen verursacht wurden, kommen wir hier auf eine sagenhafte Verursacherquote von 98%. Diese Zahl wird jedoch niemals in der Presse genannt.

Was wäre eine sinnvolle Zahl?

Viel sinnvoller wäre es wohl, die Unfälle zwischen bestimmten Verkehrsbeteiligten, also zum Beispiel zwischen Kraftfahrzeugen und Radfahrenden, zu betrachten. Bei den 1.868 Unfällen zwischen diesen beiden wurden 1.221 von den Kraftfahrzeugführern und 647 von Radfahrenden verursacht.

Es werden also in Köln fast 2/3 der Kfz-Rad-Unfälle von den motorisierten Verkehrsteilnehmern verursacht. Das Statistische Bundesamt in Wiesbaden gibt hier sogar eine Verursacherquote von 75% an, bei Unfällen zwischen Lkw und Radfahrenden von 80%.

Unfallursachen bei Radunfällen

In den Medien wird die Quote zumeist noch auf die sprachlich und inhaltlich unsaubere Formulierung zugespitzt, dass Radfahrer die Hälfte aller Unfälle verursachen. Ergänzend werden dann die Unfallursachen genannt, die Radfahrende setzen. Gründe,  warum Kraftfahrzeugführer Unfälle mit Radlern verursachen, findet man dagegen nur selten. Wie kommt es dazu?

Auch hier ist der Grund in der polizeilichen Darstellung zu finden. Während die von Radfahrenden gesetzten Ursachen eine eigene Folie in der Pressekonferenz bekommen, werden die Ursachen der Kfz nicht gesondert dargestellt. Entsprechend finden auch seit vielen Jahren nur die Informationen ihren Weg in die Zeitungsartikel, Radionachrichten und die WDR Lokalzeit, die zur Verfügung gestellt wurden.

 

Veränderungen in Köln

Aufgrund unserer regelmäßigen Interventionen zu diesem Thema arbeitet zumindest die Polizei Köln mittlerweile mit transparenteren Informationen. In 2017 wurde eine sinnvolle Verursacherquote genannt. Und auch bei den Unfallursachen werden mittlerweile die Unfallursachen von Radfahrenden und die der anderen Verkehrsteilnehmer gleichwertig gegenübergestellt.

So wird endlich klar, was die häufigsten Unfallursachen für Radfahrende sind.

Aufgaben der Behörden

Da 96% aller Unfälle in Köln von Kraftfahrzeugen verursacht werden, sollte die Polizei hier ihre präventiven und repressiven Maßnahmen konzentrieren. Neben den zu intensivierenden Geschwindigkeits- und Rotlichtkontrollen wären hier Überholabstandmessungen sowie Kontrollen der Vorfahrt, des Schulterblicks und der Spiegeleinstellung zu empfehlen. All dies findet bislang überhaupt nicht statt.

Viele Unfälle, bei denen Radfahrende die Ursache setzen, liegen eigentlich in der schlechten Infrastruktur unserer Stadt. Der Radverkehr benötigt mehr Platz für breite und sichere Radwege bester Qualität. Baustellen und Überleitungen des Radverkehrs auf die Fahrbahn müssen endlich richtig abgesichert und die Sichtbeziehungen zwischen den Verkehrsteilnehmern müssen verbessert werden.

Datenquelle: Unfallstatistik 2016 der Polizei Köln (Rohdaten)

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