Der alle 15 Jahre neu aufgelegte Bundesverkehrswegeplan wurde vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur vorgestellt. Leider wurde die Chance für einen Paradigmenwechsel vertan. Während im benachbarten Ausland schon lange breite und weitgehend kreuzungsfreie Radschnellwege gebaut werden, um Fernstraßen zu entlasten, wird hierzulande weiterhin das Fahrrad nicht als gleichwertiges Verkehrsmittel anerkannt. Der Bau eines nationalen Radschnellwegenetzes ist überfällig. Mit geeigneten Radschnellwegen würden viel mehr Menschen aus Köln, Bonn, Düsseldorf und anderen umliegenden Städten aufs Rad umsteigen.

Bundesverkehrswegeplan 2030. Grafik: BMVI mit Ergänzung des ADFC Köln.
Um diesen Zustand zu beeinflussen und einen zeitgemäßen Bundesverkehrswegeplan zu bekommen, haben wir im Rahmen des Beteiligungsverfahrens als Radverkehrsverband eine Stellungnahme geschrieben. Uns ist klar, dass das Ministerium den Radverkehr nicht im Fokus hat, aber wer es nicht versucht, der hat schon verloren. Schlechter als “keine Finanzierung” kann es ja nicht werden.
Stellungnahme zum BVWP 2030
Sehr geehrter Herr Bundesverkehrsminister Dobrindt, sehr geehrte Damen und Herren,
der Kreisverband Köln des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs vertritt als Radverkehrsverband die Interessen von unseren 2.700 Mitgliedern in Köln sowie von etwa einer Million betroffenen Radfahrern in unserer Metropolregion. Mit großer Verwunderung haben wir festgestellt, dass der Bundesverkehrswegeplan 2030 keine Fernverbindungen für radfahrende Pendler enthält und bitten um die entsprechende Ergänzung.
Durch die Kategorisierung wichtiger Pendlerverbindungen als Bundesradschnellwege und einer maßgeblichen (Co-)Finanzierung von Radschnellwegen aus Bundesmitteln könnten wichtige Fernstraßenverbindungen für den motorisierten Individualverkehr und den Logistikverkehr deutlich entlastet werden. In unserer Region sind der hochbelastete Kölner Autobahnring sowie die Verbindungen in unsere Nachbarstadt Düsseldorf gute Beispiele. Diese sind erheblich sowohl durch den Fernverkehr als auch durch Berufspendler belastet und könnten – wie unser Nachbarland Niederlande zeigt – deutlich entlastet werden, wenn wir es Berufspendlern ermöglichen würden, nicht nur kurze, sondern auch mittlere Distanzen mit dem Fahrrad zurückzulegen. Die sehr erfreuliche und erfolgreiche Entwicklung der E-Mobilität mit E-Bikes und Pedelecs benötigt nun dringend auch die für diese Mobilitätsform notwendigen Wegeverbindungen.
Wir bitten um die Aufnahme folgender Radschnellwegverbindungen in der Kategorie eines Bundesradschnellwegs in den Bundesverkehrswegeplan 2030.
Vordringlicher Bedarf:
- Bundesradschnellwegring Köln (Hürth – Frechen – Pulheim – Leverkusen – Bergisch Gladbach – Rösrath – Troisdorf – Wesseling – Hürth)
- Bundesradschnellweg Köln – Leverkusen – Düsseldorf – Duisburg (mit Anbindung an den RS1)
- Bundesradschnellweg Köln – Solingen – Wuppertal (in Wuppertal über die bereits vorhandene Nordbahntrasse) – Hagen – Dortmund (mit Anbindung an den RS1)
- Bundesradschnellweg Köln – Bonn – Koblenz
Bedarf mit Planungsrecht:
- Bundesradschnellweg Köln – Bergisch Gladbach – Olpe
- Bundesradschnellweg Köln – Kerpen – Düren – Aachen
- Bundesradschnellweg Köln – Dormagen – Neuss
Weiterer Bedarf:
- Bundesradschnellweg Köln – Euskirchen – Mechernich
- Bundesradschnellweg Köln – Grevenbroich – Mönchengladbach
Radschnellwege sollten weitgehend kreuzungsfrei und soweit möglich ohne größere Niveauunterschiede gebaut werden, um ein sicheres und schnelles Vorankommen für den Radverkehr zu ermöglichen. Wir würden im Rahmen der Aufnahme von Radschnellwegen in den Bundesverkehrswegeplan die Entwicklung verbindlicher Standards für Radschnellwege begrüßen.
Mit besten Grüßen
Christoph Schmidt
Vorstand Radverkehr
ADFC Köln
Mitmachen!
Jetzt seid ihr gefragt: Welche zukünftigen Radschnellwege in Eurem Kreisverband gehören in den Bundesverkehrswegeplan 2030?
[clearboth]Darüber hinaus hat der ADFC Duisburg inzwischen eine Online-Petition zur Aufnahme des Radschnellwegs 1 (RS1) in den Bundesverkehrswegeplan 2030 gestartet.
In Facebook schreibt Harry Lieben vom niederländischen Spezialradhersteller Sinner Bikes erstaunt:
Auf Deutsch heißt dies in etwa:
So unterschiedlich sind die Perspektiven. Während man in Deutschland schief angesehen wird, wenn man etwas so “Abwegiges”, wie die Berücksichtigung des Fahrrads in einem 15-Jahres-Plan fordert, kann man die Konzentration auf das Automobil im Nachbarland nicht einmal glauben.
Modal Split NL 2007:
49% Auto
5% Öffis
19% zu Fuß
26% Fahrrad (vor allem bei Strecken < 7,5 km)
Quelle http://www.fietsberaad.nl/library/repository/bestanden/Radfahren%20in%20den%20Niederlanden2009.pdf Seite 6
Deutschland 2008:
58% Auto
9% Öffis
24% zu Fuß
10% Rad
Quelle http://ziv-zweirad.de/uploads/media/radverkehr-in-zahlen.pdf Seite 9
So viel geringer ist die Bedeutung des Autos in den NL also auch nicht …
Aber die Bedeutung des Fahrrads ist eine andere.
Kommt drauf an, wie man Bedeutung definiert. Neulich hatte ich eine Statistik gelesen, dass auch in den NL die Fahrradnutzung in den NL drastisch einbricht mit dem Führerscheinalter wie bei uns auch. Im NL-Bild deutscher Radfahrer steckt wohl zu einem großen Teil mehr eine Wunsch-Vorstellung als ein realistischen Bild …
10% vs. 26% finde ich einen gewaltigen Unterschied.
Meine These wäre, dass das so ein hoher Wert ist, weil es ein paar große Städte bei deutliche weniger Einwohnern gibt mit hohem Radverkehrsanteil. Die NL sind deutlich dichter besiedelt und in urbanen Räumen wird mehr Rad gefahren als auf’m Land.
Zur Einordnung der Bedeutung ist auch relevant, dass das Rad in den NL hauptsächlich für kurze Strecken zum Einsatz kommt, also bei Strecken, die im Quartier bleiben und für die es keine Radschnellwege und gut ausgestatteten Räder braucht.
Ja klar liegt es auch daran. Aber wir haben weder in Berlin, Hamburg, München, Köln, Düsseldorf, Frankfurt,… einen Radverkehrsanteil, der da ran kommt. Und diese Städte haben alle eine flache Topologie.
Naja, hinsichtlich Fläche und Bevölkerungsdichte sind NL und NRW recht ähnlich.
Bei Radschnellwegen und Fahrradstationen an Bahnhöfen waren oder sind die NL weiter als Deutschland. Die Radnutzung wird dort nicht nur aufs Viertel beschränkt gesehen, sondern vermehrt regional (Radschnellwege, besonders seit dem Aufkommen von Pedelecs) bzw. als Teil einer Reisekette (Fahrradstationen).
Auch hinsichtlich der Topographie? In den Durchschnittswerten für Dt. sind auch die ganzen Mittelgebiergsstädte mit drin.
Na ja,
eine rein auf Separation und “Gleichberechtigung der Verkehrsmittel” basierte Fahrradpolitik kann – wie die Niederlande zeigen – sehr wohl zu einem weiteren Anstieg des Autoverkehrs führen.
NL: Autoverkehr steigt deutlich an
DK: Autoverkehr steigt deutlich an
Radverkehrsförderung ohne das notwendige Pendant von empfindlichen Repressionen gegen den MIV führt NICHT zur notwendigen ökologischen Verkehrswende, sondern maskiert die Negativ-Entwicklung unter dem grünen Mäntelchen steigenden Rad-Kurzstreckenverkehrs (Einwohner-Wege-modal-split)
Im Gegenteil kann ein separierter Kurzstreckenradverkehr sehr wohl die Grundlage für eine deutliche Ausweitung der Kilometerleistung des MIV schaffen.
In Münster etwa wird dies gut deutlich.
Das Problem dabei:
Alle ‘Fahrradstädte’ oder ‘Fahrradländer’ haben perfekte ‘all inclusive Marketingpakete’, die die Illusion aufrecht erhalten, dass mit “Radverkehrsförderung” bzw. “Nahmobilität 2.0” der Autoverkehr eingeschränkt würde.
Die gegenteiligen Fakten sind zwar zugänglich:
http://www.vejdirektoratet.dk/da/viden_og_data/statistik/sider/default.aspx
, werden aber keinesfalls international kommuniziert, oder auch nur ins englische übersetzt.
Gleiches in den NL, Gleiches in Münster.
Anders in Wien, London, Mailand, demnächst Oslo, etc.
Dort ist zu besichtigen, welche Stellschrauben zur überfälligen Reduktion von MIV führen: Fahrverbote, Reisezeitverlängerungen, Parkbeschränkungen, Kostensteigerung (Citymaut).
DANN, und ERST DANNN hat auch der Radverkehr ggf. einen Anteil an der Lösung, und nicht (Münster-Modell) nur einen Anteil an der Verschärfung des Problems.
Sehr richtig!
Mit anderen Worten: Städte wie Münster werben mit vielen Radwegen, die im Grunde nur dazu erstellt wurden, dem MIV Platz zu schaffen und zu beschleunigen.
Ich kann nur von Münster sprechen, dort bin ich häufig beruflich unterwegs. Die Stadt ist, was die Verkehrsinfrastruktur betrifft, in meinen Augen im Grunde autofreundlich und verkauft diese teils handtuchbreiten “Wege” als fahrradfreundlich.
Münsters Radwege stammen vielfach aus einer Zeit als Rad- und Kraftverkehr noch nicht die heutigen Ausmaße hatten. Viele von ihnen genügen weder den heutigen Radverkehrsmengen (und den vielleicht noch anzustrebenden Steigrungen …) noch den heutigen technischen Regelwerken. Das ist der Fluch einer frühzeitig eingerichteten Radverkehrsinfrastruktur, eines Ausruhens auf Lorbeeren und des Unwillens, dem Radverkehr mehr Platz zu Lasten des Kraftverkehrs zuzugestehen.
Außerdem ist Münster ein gutes Beispiel dafür, dass durch regionale Arbeitsplatzverlagerung in die Stadt auch das Einpendeln aus der Region in die Stadt stark zugenommen hat. Dem hätten Stadt und Region mindestens mit verbesserten Ein-/Auspendelmöglichkeiten abseits des Pkw begegnen müssen (Radschnellwege, ÖPNV).
Dagegen geht es an den Ursachen vorbei, die separaten innerstädtischen Radwege als wirkungslos im Hinblick auf zunehmenden Kraftverkehr zu brandmarken. Man möge sich vorstellen, wie es in heute Münster aussähe, wenn es keine Radwege gäbe (so schlecht sie auch sein mögen) und viele Menschen im Stadtverkehr das Auto anstatt des Rades nähmen.
Ich wohne in MS und ich kann nicht erkennen, dass neuere Radwege besser sind als die Altlasten. Nach wie vor meist Klinker statt Asphalt, zu schmal, 100% Benutzungspflicht, 1,25cm Schutzstreifchen direkt neben parkenden Autos, linksseitig benutzungspflichtige Wege innerorts, neuer Kreisverkehr mit Radverkehr teils linksrum (!), Führung gemeinsam mit Fussgängern, sehr geringe Reisegeschwindigkeit, Radverkehrswegweisung führt auf 240er Wege(!) …, …
Hauptsache der heilige Autoverkehr wird nicht verzögert, daher – wie in den 80ern – Planung der Strassen von innen nach aussen, usw.
Ich halte Dein Argument:
“Dagegen geht es an den Ursachen vorbei, die separaten innerstädtischen Radwege als wirkungslos im Hinblick auf zunehmenden Kraftverkehr zu brandmarken. Man möge sich vorstellen, wie es in heute Münster aussähe, wenn es keine Radwege gäbe (so schlecht sie auch sein mögen) und viele Menschen im Stadtverkehr das Auto anstatt des Rades nähmen.”
für eine völlige Fehleinschätzung.
Die hohen und rasant steigenden Kilometerleistungen des MIV wären ohne den hohen Anteil des separierten Radverkehrs in der Innenstadt gar nicht möglich.
Durch die vollzogene Reduktion von MIV-Kurzstrecken bleiben die (steigenden) Kapazitäten für die mittlerweile 300.000 Mittelstrecken und Langstreckenfahrten der Auswärtigen und zusätzlich der MS-Auspendler in relativ hoher Qualität nutzbar.
Ohne separierte Radwege wäre längst Stillstand, und die Auswärtigen müssten längst ÖPNV/Rad nehmen.
So hingegen explodieren die MIV-Kilometerleistungen Jahr für Jahr auf neue Rekordhöhen.
Ist es wirklich sinnvoll, wenn dabei der freiwerdende Platz einer substituierten 2KM-Autofahrt umgehend durch eine 20KM Autofahrt gefüllt wird?
Synchron: zwei neue Autobahnanschlüsse, A1 sechsspurig A43 wohl bald 6-spurig, Autobahnkreuz-Erweiterungen, mehr Spuren an wichtigen radialen Bundesstrassen, etc, etc.
Die resultierenden MIV-Steigerungen können von der Stadt nur noch aufgenommen werden, wenn noch mehr Kurzstrecken mit dem Rad gefahren werden.
Genau das ist der Plan: trotz Kernverdichtung Enwohner-Wachstum und Suburbanisierung die Auto-Erreichbarkeit prioritär zu sichern durch Erhöhung des Binnenkurzstreckenradverkehrs auf 50%. Natürlich mit konsequentem Fahrbahnverbot überall da wo die Fahrbahn für den MIV freigehalten werden “muss”.
Ohne Benutzungspflicht würde das nichts bringen, da schon recht wenige Radfahrer auf der Fahrbahn die Kapazität deutlich erniedrigen würden.
Motto: weiter so!
Mehr Lärm, mehr Abgase, mehr CO2, mehr Flächenfraß, mehr separierte benutzungspflichtige Radwege = Münster-Modell.
Die Verkehrsplanung der Stadt steckt im letzten Drittel des 20.Jhd. fest und scheint ausserstande eine zukunftsgerechte Mobilität zu entwickeln, wie sie bei den Problemlagen des 21.Jhd. angemessen und notwendig wäre.
Dann gäbe es viel Stau und die Leute würden auf das Rad umsteigen oder dichter bei der Arbeit wohnen oder flexiblere Arbeitszeiten fordern …
Viel zu viel Stau gibts heute schon, aber die Leute steigen nicht massenhaft aufs Rad um, solange sie sich dann im immer noch erheblichen Kfz-Restverkehr bewegen müssten.
Dann akzeptieren sie lieber den täglichen Stau. Und fordern weitere Kfz-Wege als Gegenmittel gegen Staus, damit sie weiter Auto fahren können.
Mit dem Dichter-bei-der-Arbeit-Wohnen ist es für den einzelnen und kurzfristig leichter gesagt als getan, wenn sich entweder der Arbeitsplatz wieder wegbewegt oder Wohnraum in Arbeitsplatznähe zu teuer wird.
@ Alfons Krückmann:
Ich habe die Münsteraner Verkehrsplanung überhaupt nicht gelobt, und ich habe keine Lanze für schlechte RVA gebrochen.
Meine generellen Überlegungen gehen dahin, separate Radfahrangebote unter Inanspruchnahme vorhandener Wege (bisherigen “Kfz-Reviers”) zu schaffen. Deshalb ist Deine These “Radwege befördern den Kraftverkehr” auch nicht per se zutreffend, sondern nur dann, wenn es so wie z.B. in Münster gemacht wird.
Und generell: Der Wert des Radfahrens besteht doch nicht allein darin, ein Gegenmittel gegen den Kraftverkehr zu sein. Das Radfahren hat seine Berechtigung auch ohne einen massenhaften Kraftverkehr. Und deshalb kann man den Nutzen von Radwegen auch nicht allein daran messen, ob sie auch die Kraftfahrbedingungen erträglicher machen oder nicht. Dass Verkehrsplaner diesen Effekt u.U. anstreben, ändert doch nicht an dem Nutzen den diese Wege aus der Sicht vieler Menschen täglich haben. Dass diese Wege technisch gut sein sollten, steht für mich außer Frage, und auch die regelmäßigen Fahrrad-Klimatests zeigen, dass viele Menschen (beim derzeitigen Kraftverkehr) noch Radwege wollen, aber gleichzeitig den Standard und Zustand vieler heutiger Radwege kritisieren.
Gut gemachte Separation schließt weitergehende Maßnahmen ja nicht aus.
Was nie diskutiert wird: Wollen wir Städte, in denen alles getrennt wird? Oder hat das Erbe der europäischen Stadt einen Wert, den wir erhalten wollen.
Wenn das Erbe der europäischen Stadt eine am Menschen orientierte Maßstäblichkeit sein soll: Ich stimme zu.
Leider ist das Erbe vielerorts schon verloren bzw. verprasst worden (Stadtumbau nach 1945 aufgrund von Kriegsschäden oder auch ohne solche). Dort wo es noch vorhanden ist (kleinteilige Innenstädte) wird über neue Radwege zusätzlich zu vorhandenen Fahrbahnen wohl eher selten diskutiert, weil es einen weitgehenden Konsens darüber gibt, dafür keine Häuserzeilen abzureißen. Wenn denn Abrisse und flächenhafte „Modernisierungen“ ins Spiel gebracht werden, dann regelmäßig nicht aufgrund von Radwegplanungen.
Dort wo es historisch begründete weite Straßenräume gibt (z.B. aus dem 19. Jh.) oder auch solche aus jüngerer Zeit, sehe ich durch eine Umverteilung von Verkehrsraum zu Lasten des Kraft- und zu Gunsten des Radverkehrs das Erbe der europäischen Stadt (sofern noch vorhanden) nicht als gefährdet an. Köln mit seiner geplanten Umwidmung eines Fahrstreifens auf den Ringen zur Radspur wäre hierfür ein Beispiel (wobei ich die Ringe eher nicht als Prunkstück europäischen Kulturerbes einstufen würde …).
Wenn der am menschlichen Maßstab orientierte und nutzbare Stadtraum beeinträchtigt wird, dann doch durch die Folgen des massenhaften Kraftverkehrs. Und nicht durch mehr „Radwege“ (im weitesten Sinne).
Separation fängt schon bei Gehwegen an, geht über Mehrstreifigkeit von Fahrbahnen und endet nicht bei der Klassifizierung unterschiedlich zu nutzender Straßentypen (Autobahnen, Kraftfahrstraßen, Hauptstraßen, Nebenstraßen usw. – auch innerörtlich!). Mal hypothetisch: Falls man es grundsätzlich ohne Separation versuchen wollte, dann doch konsequenterweise mit einem Verzicht auf jegliche Separation. Und dann wäre es auch schön, wenn künftige Kfz nicht mehr die Betriebsgefahr ausstrahlen würde, die schon aufgrund ihrer Masse bei heutigen Kfz unvermeidlich ist – selbst bei Tempo 30, und deshalb verantwortlich für den Wunsch nach Separation durch Fußgänger und viele Radfahrer. Und wenn sie nicht mehr den Platzbedarf heutiger Kfz hätten. Oder man entscheidet sich dazu, Kfz weitgehend aus der Stadt zu verbannen. Das wäre allerdings auch wieder eine Form der Separation …
Vielleicht braucht man (gut gemachte) Radwege als Zwischenlösung auf einem Weg zur „autobefreiten“ Stadt – einfach auch dafür, dass Menschen wieder oder erstmals ihre Stadt wahrnehmen können, wenn sie sich zu Fuß oder unbedrängt mit dem Rad bewegen. Anstatt in geschlossenen Kapseln (Pkw, ÖPNV) durch die Stadt transportiert zu werden, wobei sie vielfach nur den Start- und Zielort als „Ort“ wahrnehmen.
Nein, das wäre eher eine Limitierung. Einzelne Autos gäbe es ja weiterhin in der Stadt, nur würden die sachgerecht Tempo 10 oder so fahren.
Ich befürchte, dass man damit eher eine Zementierung erreicht. Wie sagte eine Vorgesetzte von mir mal “Nichts ist so haltbar wie ein Provisorium.”
Man muss den Leuten helfen, zu erkennen, dass sie im Urlaub und Freizeit autofreie Orte suchen. Und man muss sie anregen, darüber nachzudenken, warum das so ist.
Auch die historische Prachtstraße des 19. Jh. braucht die Masse der Nicht-Prachtstraßen, um Prachtstraße zu sein und dürfte mehr Charakter eines Platzes gehabt haben als Ähnlichkeiten mit den Schneisen der Nachkriegszeit als monofunktionale Autotrassen.
Natürlich hätten wir die Diskussion um innerstädische Radwege nicht, wenn es die Masse von Kfz mit ihrer individuellen und kollektiven Betriebsgefahr in der Stadt nicht gäbe. Ich sehe momentan innerhalb der Bevölkerung noch keinen Konsens, das tatsächlich ändern zu wollen, also auf eine Kfz-Belastung zurück zu gehen, wir sie vor der Massenmotorisierung hatten.
Meine Überlegung zur Abtrennung von Radspuren im Bestand führt ja nicht zwangsläufig dazu, sie irreversibel auch für eine künftige Zeit zu zementieren, in man sie nicht mehr braucht, weil die Kfz-Belastung drastisch zurück gegangen wäre.
Danke für den Link. Ich kann kein Dänisch, aber bei http://www.vejdirektoratet.dk/DA/viden_og_data/statistik/trafikken%20i%20tal/hvordan_udvikler_trafikken_sig/Sider/default.aspx ist es nicht so schwer, die zentrale Info zu erfassen:
Personenverkehr: + 2,9 %
Motorverkehr: + 5,6 %
Radverkehr: – 3,1 %
Selbst wenn es in Kopenhagen anders ist, muss das dann ein eher singuläres Ereignis sein …
Dass der Kraftverkehr zunimmt, ist keine niederländische und dänische Spezialität. Er nimmt in vielen Ländern generell zu, unabhängig davon, ob es dort Radwege gibt oder nicht. Das hat zu tun mit z.B. Siedlungspolitik, räumlicher Konzentration von Arbeitsplatzangeboten, zunehmendem gewerblichem (Last-)Kraftverkehr. Daher sehe ich auch keinen unmittelbaren und tatsächlich nachvollziehbaren Zusammenhang zwischen separaten Radwegen und Kraftverkehrszunahme. Aufschlussreicher als ein allgemeiner Hinweis auf zunehmenden Kraftverkehr wäre eine Auskunft darüber, wie stark in NL und DK der Kraftverkehr bei welchen Wegelängen zugenommen hat, ob der Kraftverkehr ohne Radverkehrsförderung nicht noch stärker zugenommen hätte und wie stark der Radverkehr zugenommen hat.
Ergänzung: Bei der Abnahme des Radverkehrs in DK um 3,1% wäre interessant zu wissen, ob es Erkenntnisse über die Entwicklung differenziert nach Regionen, Städten, Streckenlängen gibt. Speziell in DK wäre der Einfluss der großen neuen Brücken zwischen den Inseln bzw. nach Schweden aufschlussreich.
Ja, fände ich auch interessant!
Ich kann aber kaum dänisch, daher ist es sehr mühsam, und in englisch kommen meist nur die ‘Fahrrad-jubel-Publikationen’ heraus, die die wahren Probleme konsequent ausblenden und stattdessen die ‘Marke’ Copenhagenize promoten.
Schade, dass immer mehr private PR-Agenturen die Veröffentlichungen dominieren.
Wenn ich mal etwas Zeit finde, versuche ich mit meinem rudimentären Dänisch, was rauszufiltern. Immerhin waren Befürchtungen über eine Zunahme des Kraftverkehrs ein Argument gegen den Brückenbau in DK.
Ursache und Wirkung nicht bedacht?
Siedlungspolitik und Konzentration von Arbeitsplätzen incl. der Phänomene von Suburbanisierung sind weniger Ursache, sondern weit mehr Folge autogerechter Planung.
Das Auto schafft sich seine Autogerechte Stadt sozusagen selbst, und seine Autogerechte Region.
Die Reisezeitbudgets sind dabei ausschlaggebend, nicht etwa die Entfernungen. DAS nicht zu berücksichtigen ist oft der entscheidende Haken.
Beispiel:
In den USA gibt es zunehmend die “supercommuter”, die in Manhattan arbeiten und 2000 Meilen entfernt im Westen wohnen. Das machen mittlerweile Tausende.
Mit dem Flieger sind da die wöchentlichen Reisezeitbudgets einhaltbar, und das Kosten/Nutzen Verhältnis ist für die Pendler positiv.
Die erhöhten Entfernungen kommen aber nicht durch Raumplanung zustande, sondern resultieren aus der Erhöhung der Erreichbarkeitsradien innerhalb einer gegebenen Zeit.
Letzlich geht es um die Durchbrechung von sich selbst verstärkenden Regelkreisen (Das Auto schafft sich ein Umfeld, das den Autoverkehr benötigt, welcher sich ein Umfeld schafft, das …)
Du hast aber m.E. durchaus Recht: die Zunahme des Autoverkehrs ist keine Spezialität von sogenannten Fahrradländern. Das war aber auch nicht meine These.
Ich sage nur, dass Erhöhungen der Radverkehrsanteile NICHT automatisch eine Reduktion des MIV zur Folge haben.
1. Radverkehr KANN die anderen beiden Verkehrsmittel des Umweltverbundes kannibalisieren.
2. Radverkehr KANN Platz schaffen für steigende MIV-Kilometerleistung bei gleichbleibender Strassen MIV-Kapazitäten.
3. Touristischer Radverkehr kann zusätziche Autofahrten induzieren
4. Radverkehr kann aber auch Bestandteil eines verbesserten Umweltverbundes sein, was mit einer Reduktion des MIV einhergehen kann, WENN der Autoverkehr beschnitten wird.
Nicht OB Radverkehr, sondern WIE Radverkehr!
Es liegt doch auch an uns, ob wir gewillt und in der Lage sind das ‘Radverkehrs-Green-washing’ unterscheidbar zu machen von einer klugen Radverkehrsförderung, die im Kontext einer Verkehrswende steht.
Analog zum ‘grünen’ Biosprit etwa: der ist kein Teil der Lösung, sondern Greenwashing und Teil des Problems, was aber NICHT gegen nachwachsende Rohstoffe spricht.
Aber zurück zum Thema: Radschnellwege (pull) können durchaus Teil der Lösung sein, WENN sie zusammen mit dringend notwendiger gleichzeitiger Repression gegen den MIV (push) mithelfen eine ökologisch verträgliche Mobilität einfach und praktikabel zu machen.
Für den Umstieg müssen dann aber die Reisezeitbudgets ‘passen’.
Radschnellwege zur Stauvermeidung hingegen senken zwar vielleicht die Kosten der automobilen Gesellschaft, fördern aber den MIV nebst der Begleiterscheinungen.
Groningen JA. Almere NEIN.
Der Infrastruktur sieht man den Unterschied nicht an, aber der Kontext ist ein anderer, und damit ist die Steuerungswirkung im Gesamtverkehr (incl. resultierender Raumwirkungen) eine andere.
Daran krankt m.E. auch das Konzept in Köln: bei den gelben Strecken scheinen mir keine Repressionen gegen den MIV stattzufinden, die grünen Strecken tun dem MIV nicht weh. Vielleicht seh ich das aber auch zu skeptisch.
Also wer im ländlichen Bereich glaubt denn noch ernsthaft an den ÖPNV? Da wo nichts ist, kann der Radverkehr auch nichts kannibalisieren.
Wie war das mit den “all inclusive Marketingpaketen” ;-) Aber sicher bleiben viele positive Assoziationen einzig mit dem hohen Radverkehrsanteil verbunden. Das ist doch zunächst hilfreich. Wenn sich natürlich offenbart, dass hohe Radverkehrsanteile an ihre Grenzen stoßen oder nicht mehr allein zur „Fahrradhauptstadt“ oder zur „Lebenswertesten Stadt“ etc. ausreichen, stünde die Sache auf der Kippe und das müsste doch der Schlüssel sein, mit dem Gegenmaßnahmen ergriffen werden.
Bislang scheint es in MS viel zu wenige Menschen zu interessieren, wie sie aus dem Umland per Fahrrad in das innerstädtische Verkehrsgewusel überhaupt hinein kommen.
Genau das ist eine ganz erhebliche Sache mit dem passenden „Reisezeitbudget“:
Das entscheidende Kriterium für Radwegeinfrastruktur muss die Effizienz der Wege sein. Im Radwegenetz müssen hohe Reisegeschwindigkeiten erreicht werden können. Das müsste auch für Kostenträger bei der Bewertung der Baumaßnahmen leicht überprüfbar sein. Ansonsten würde sich eine Stadt wohl kaum erlauben können, den Lebenswert in einer Stadt weiter zu begrenzen und das kann eine Stadt nicht lange systematisch aussitzen, auch wenn dies in MS oder K gerade noch versucht wird.
Wer ohne Hakenschlagen, Dauerrot oder Gerölluntergrund zum Ziel gelangen kann, ist gleichzeitig auf der sicheren Seite, und zwar nicht nach Gefühl, sondern wirklich.
Das gilt vor allem auch für Pendler auf mittleren Strecken, die ihre Zeit nicht im Auto vertrödeln. Bundesweite Radschnellwege und Fernradwege sind dafür schon eine wichtige Forderung. Auf denen sollen Radfahrende schnell, sicher, kostengünstig, umweltfreundlich und komfortabel zum Ziel gelangen und morgens länger schlafen.
In Köln ist die KVB auf einigen Strecken dermaßen an der Belastungsgrenze, dass ein Wachstum nicht möglich ist, ohne massiv in Schienen-Infrastruktur zu investieren. Bei uns sind weitere U-Bahn-Bauten aber aktuell irgendwie nicht so en vogue. Entsprechend kann das Rad bei uns zumindest dem Wachstum des ÖPNV nicht entgegenstehen. Eher macht der eine oder andere Wechsler vom ÖPNV aufs Fahrrad die KVB wieder attraktiver für manchen Autofahrer.
Das Problem sind die lokal und zeitlich sehr beschränkten Nachfragespitzen … wenn man diese Nachfrage strecken könnte zeitlich, hätte man noch sehr viel Kapazitäten in der HVZ
Also wäre eine Kampagne für flexiblere Arbeitszeiten sinnvoller als ein U-Bahn-Ausbau?
Auch beim U-Bahn-Ausbau wird es immer Engstellen geben wie bei den Autobahnen auch. Und sinnvoller dürfte häufig der Ausbau der Straßenbahn sein mit gleichzeitigen Einschränkungen des MVI.
Im gelben Netz werden dem Autoverkehr durchaus Fahrstreifen genommen. Nord-Süd-Fahrt ein Fahrstreifen je Richtung. Rheinufertunnel ein Fahrstreifen in der östlichen Röhre als Zweirichtungsradweg. Ringe (hoffentlich!) eine Zweite-Reihe-Park-Fahrspur je Richtung.
Was im grünen Netz konkret passiert, ist noch unklar und wage. Wenn Fahrradstraßen mit guter Qualität hinterlegt werden, fallen einige Parkplätze weg, auch an Stellen, wo es ggf. weh tut.
Sicher, dass das so kommt? :-)
Nein. Aber eine gewisse Grundnaivität muss man sich erhalten als Fahrradlobbyist.
An der Nord-Süd-Fahrt hat man im Süden mit Markierungsarbeiten begonnen, hier gibt es aber nur anderthalb Fahrstreifen heute, der Radverkehr bekommt den halben. Diskussionen könnte es da noch auf vielleicht 300 Metern im Zentrum geben, der Rest sieht mir aktuell so aus, als würde es ohne Probleme umgesetzt werden.
Der Tunnel ist aus meiner Sicht noch nicht sicher durch.
Bei den Ringen gibt es Rückenwind aus Wirtschaft (!) und Teilen der Politik, aber Bedenken bei Verwaltung und Anderen. Das bleibt spannend.
Dann wird man zu schnell Opfer behördlicher Beschwichtigungen und Ankündigungen.
Wenn es an zentraler Stelle nicht klappt. bringt das davor und danach nichts – außer für die Statistik der Verwaltung.
Nö. Deswegen fordern wir dennoch ein Reporting etc. Wenn ich aber ALLES in Frage stelle und gar nicht mehr vertraue, dann wird es sinnlos.
Selbst ohne die 300 Meter in der Mitte kommt man aus den Außenbezirken super ins Zentrum. Und ich bin sicher, dass wir auch für die 300 Meter eine Lösung geben wird.
Grundnaivität könnte man auch mit Veränderungswillen über setzen. Wenn man vor der bisherigen Haltung in Politik und Verwaltung kapituliert und nicht an mögliche Veränderungen glaubt, dann kann man gleich aufhören. Oder sich nur noch in Foren und Blogs beklagen ;-)
Alfons Krückmann sagt:
12. April 2016 um 15:45
Ursache und Wirkung nicht bedacht?
Siedlungspolitik und Konzentration von Arbeitsplätzen incl. der Phänomene von Suburbanisierung sind weniger Ursache, sondern weit mehr Folge autogerechter Planung.
Sicherlich spielt beides eine Rolle, aber in der Regel entscheiden Unternehmen nach eigenen Kriterien über die Verlagerung von Produktions-, Dienstleistungs- und Arbeitsplätzen. Um danach von Verwaltung und Politik die dazu passende Kfz-Infrastruktur zu fordern.
Wir sind uns sicherlich einig darüber, dass eine Reduzierung des MIV wohl nicht ohne Restriktionen klappen kann.
Bei der Frage, wie man Radverkehr fördern kann (auch, aber nicht allein zum Zwecke der MIV-Vermeidung), greift mir eine häufig gehörte Forderung nach Mischverkehr für alle zu kurz. Sie berücksichtigt zu wenig die unterschiedlichen Fähigkeiten von Rad fahrenden Menschen und sieht sie oftmals nur als technisches Element im Straßenraum, um Autofahrern das Autofahren zu verleiden.
In ADFC-Fahrradklimatests und auch in meinem Umfeld gibt es viele, die das Rad durchaus viel und im Alltag nutzen, die die vorhandenen Radwege kenntnisreich kritisieren, aber trotzdem an Hauptstraßen u.ä. keinen Bock auf räumliche Nähe zu Kfz haben. Daran würde sich auch nichts ändern, wenn der MIV plötzlich um 30% abnähme.
ADFC NRW kritisiert die Nichtberücksichtigung des Radschnellweg 1 (RS1) im neuen Bundesverkehrswegeplan 2030
https://www.adfc-nrw.de/aktuelles/aktuelles/article/adfc-nrw-kritisiert-die-nichtberuecksichtigung-des.html
ADFC: Vorrang für Radschnellwege vor Autobahnen!
Bundesverkehrswegeplan ohne Impulse für aktive Mobilität
http://www.adfc.de/presse/pressemitteilungen/bundesverkehrswegeplan–adfc-vorrang-fuer-radschnellwege-vor-autobahnen
Aktuelle IFG-Anfrage auf FragDenStaat.de an das BMVI:
Finanzierung Radschnellweg wie Autobahn oder Bundesstraße behandeln
https://fragdenstaat.de/a/16058
Das IFG ist keine Rechtsgrundlage um von öffentlichen Stellen sich die Rechtsgrundlagen erklären zu lassen wie die Anfragerin es versucht. Über das IFG kann man Einsicht in bestimmte Akten in ihrer vorhanden Form nehmen, also z. B. den offiziellen Briefwechsel zwischen dem Land NRW und der Bundesregierung zum RS 1. Analysieren muss man ihn selber.
Das ist mir klar. Ich habe nur alles zum Thema mal hier gesammelt.
Wer an der 0,0 im gelben Feld etwas ändern möchte: Petition für die Aufnahme von Fernradwegen in den Bundesverkehrswegeplan:
https://epetitionen.bundestag.de/petitionen/_2016/_03/_21/Petition_64724.nc.html
Ich finde die touristische Ausrichtung dieser Petition nicht optimal. Radschnellwege aus Bundesmitteln wird aus meiner Sicht eher dann geben, wenn man darstellen kann, dass von Umsteigern auch der MIV profitiert.