Ride of Silence Köln 2016

Jährliche Gedenktour für verunfallte Radfahrer

Ride of SilenceAm vergangenen Mittwoch hat in Köln zum zweiten Mal ein „Ride of Silence“ stattgefunden. Diese stille Gedenkfahrt für schwer verunfallte oder getötete Radfahrer hat ihren Ursprung in den USA. Nachdem im Jahr 2003 ein Radfahrer in Dallas, Texas im Straßenverkehr tödlich verunglückte, organisierten seine Freunde zur Erinnerung und Mahnung den ersten „Ride of Silence“. Seitdem findet dieser jährlich statt. Zunächst schlossen sich weitere US-Städte an, später weitete sich dies auf Städte weltweit aus. Seit 2015 gibt es den Ride of Silence auch bei uns in Deutschland neben Köln auch in vielen weiteren Städten.

Treffpunkt Rudolfplatz Der ADFC Köln hatte alle Kölner Radfahrenden zur Mitfahrt eingeladen. Treffpunkt war der zentral gelegene Rudolfplatz um 19 Uhr. Viele Teilnehmer hatten sich weiß gekleidet, um den Verstorbenen Respekt zu erweisen. Unsere Geisterräder wurden mit unserem Fahrradtransporter und dem ADFC-Lasterad transportiert. So wurden auch Passsanten außerhalb der Aufstellorte auf unser Anliegen aufmerksam.

Nach dem Start am Rudolfplatz hielten wir an der zentralen Kreuzung Aachener Straße / Universitätsstraße, die wie ein Autobahnkreuz ausgebaut wurde. Hier kam im vergangenen Jahr mit Gianluca ein nur 26 Jahre Radfahrer ums Leben, weil ein Autofahrer mit über 100 km/h die Kontrolle über seinen Mietwagen verlor. Für Gianluca haben wir ein Geisterrad aufgestellt, das die Verkehrsteilnehmer zu einer angepassten Fahrweise ermahnen soll.

Geisterräder auf unserem Radtransporter am ADFC-LastenradAuch an der Ecke Scheibenstraße / Lipizzaner Straße kam ein Radfahrer ums Leben. Der Unfall des 73jährigen fand in diesem Jahr kein großes Echo in den Medien. Eine 80jährige Autofahrerin überholte das Fahrrad viel zu eng, evtl. reichte ein kleiner Schlenker des Seniors, um vom Auto erfasst zu werden. Die genaue Unfallsituation ist nicht geklärt. Der Radfahrer stürzte und verstarb kurze Zeit später im Krankenhaus an den Unfallfolgen. Auch ihm wurde ein Geisterrad gewidmet.

Im Anschluss fuhren wir weiter zum Auenweg. Der Unfall von Miriam (19 Jahre) liegt zwar schon länger als ein Jahr zurück, weil jedoch kürzlich ein für viele nicht zufriedenstellendes Urteil in dem Fall gesprochen wurde, wollten wir auch an dieser Stelle an- und innehalten. Miriams Unfall hat die Stadtgesellschaft aufgerüttelt und doch wird weiter zu schnell gefahren. Und es werden auch weiter Straßen geplant, die zum schnellen Fahren anregen.

Rede zur Geisterrad-AufstellungDer letzte Haltepunkt und das Ende der Tour sollte eigentlich die Ecke Hohenstaufenring / Beethovenstraße an den Kölner Ringen sein. Aufgrund der Wetterlage und der bereits fortgeschrittenen Uhrzeit haben wir die Gedenkfahrt jedoch vorab am Alter Markt beendet. Die an den Ringen verunfallte Radfahrerin (33 Jahre) wurde bei einem Rechtsabbiegeunfall schwer verletzt. Zur Verbesserung der Situation an den Kölner Ringen setzen wir uns im Rahmen der Initiative #RingFrei für die Umsetzung unseres 10-Punkte-Plans für die Kölner Ringe ein.

Die vier Stellen stehen stellvertretend für alle im Stadtgebiet verunfallten Radfahrenden.

Wir danken den 250 Radfahrenden, die den Ride of Silence 2016 trotz am Ende strömenden Regens begleitet haben. Wir würden uns freuen, wenn ihr vielleicht hin und wieder eine Kerze anzündet oder ein Blümchen an den Geisterrädern hinterlasst, wenn ihr mit Eurem Rad an den Unfallstellen vorbeikommt.

Medien

Ride of Silence Köln 2016Vorberichte
WDR Online
Kölnische Rundschau
Kölner Stadt-Anzeiger
…sowie auf WDR2 und im Domradio.

Berichte in TV, Radio und Presse
RTL WEST Nachrichten (ab Minute 8:20)
Domradio (Studio-Interview)
WDR Online
Radio Köln
Kölner Stadt-Anzeiger
Kölnische Rundschau
Express
Report-K
Frankfurter Allgemeine Zeitung (Letzter Absatz)

English Summary

Geisterrad für GianlucaThis year, the local chapter of the German Cyclist’s Association ADFC organized it’s second Ride of Silence in Cologne, Germany. About 250 cyclists participated even if it was raining cats and dogs. We had several serious crashes in the last twelve months. Even two young cyclists (f19, m26) died on their daily commuter routes, because also young drivers drove more than 100 km/h (60 mph) downtown, where 50 km/h (30 mph) are allowed and maybe 30 km/h (below 20 mph) might be applicable. Several regional TV and radio stations and all local newspapers covered the tour.

Organisation: Carolin Ohlwein, Kerstin Kliss, Christoph Schmidt
Fotos: Paul Hense

Über Christoph Schmidt

Ich bin seit 2010 mit dem Softwareunternehmen messageconcept in Köln selbständig. Als leidenschaftlicher Radfahrer und Bahnfan setze ich mich seit Jahren für ein lebenswertes Köln mit einer nachhaltigen Mobilität ein. Seit 2013 engagiere ich mich ehrenamtlich im Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club und bin seit 2018 Vorsitzender des ADFC in Köln. Neben anderen Gremien bin ich seit 2021 Mitglied des ADFC-Bundesvorstands.
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14 Antworten zu Ride of Silence Köln 2016

  1. Michael Hokkeler sagt:

    Hoffen wir mal, dass es vorerst die letzten Geisterräder waren, aber bei der Untätigkeit von Politik und Verwaltung, ist das leider höchst unwahrscheinlich. Stattdessen werden in Köln immer wieder neue Gefahrensituationen z.B. durch nicht nachvollziehbare Genehmigungen von Werbeträgern oder irrwitzige Verkehrsführungen geschaffen und bestehende, lange bekannte Gefahrensituationen (Abbiegesituationen, Raserstrecken, schlechte Infrastruktur usw.) nicht beseitigt.

    Ich sehe insbesondere in der Kölner Stadtverwaltung unter Führung von Henriette Reker weder echten Willen noch Mut zur Veränderung und das werden in den schlimmsten Fällen weiterhin Radfahrerinnen und Radfahrer mit dem Leben bezahlen. Andere Städte mit ähnlich desaströsen Rahmenbedingungen bekommen es auch hin, aber die jahrelange Kölner “Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass-Politik” in Verbindung mit einem an Menschenfeinlichkeit grenzendem Lobbyismus (vorsichtig formuliert), planerischer und organisatorischer Überforderung in allen Ämtern sowie größtmögliche Arroganz und Ignoranz gegenüber engagierten Bürgern, hat Beton angerührt, der nur durch stetiges Hämmern und Meißeln beseitigt werden kann.

    Was mir persönlich daher (noch) Mut macht und mich vor der Resignation bewahrt: Die vielen engagierten Einzelpersonen und privaten Initiativen (z.B. RingFrei), der Zuspruch bei der Critical Mass, die aktiven Verbände (allen voran der ADFC Köln) und eine gefühlt stetig wachsende Anzahl (neuer) politischer Akteure aus unterschiedlichen Parteien, die das Thema treiben und nicht locker lassen. Auch die Medien wie die WDR Lokalzeit aus Köln, StadtRevue und Report-k hinterfragen vieles mittlerweile, mit Abstrichen berichten sogar KSTA, Kölnische Rundschau und EXPRESS im Sinne der Sache.

    Was können wir Radfahrer tun: Den Druck weiter erhöhen, nachfragen und nachhaken, uns gegenseitig informieren, positiv anpacken, sachlich gut begründete Eingaben machen, Netzwerke aufbauen und pflegen, persönliche Interessen hinten anstellen, Missstände öffentlich machen, anklagen und klagen, unbequem und penetrant sein, zusammenhalten, uns den Spaß trotzdem nicht vermiesen lassen…

    Also, doch irgendwie ne ganze Menge. In diesem Sinne: Danke an den ADFC für das Engagement und passt auf Euch auf da draußen!

    • Norbert Rath sagt:

      Erstaunlich, dass bei einer Radfahrer-Demo andere Maßstäbe gelten als bei einer klassischen Zufuss-Demo. Mir ist jedenfalls keine klassische Demo bekannt, wo bei einer zweispurigen Straße die Auto daneben lang fahren dürfen. Viel zu gefährlich! Ich empfehle euch im nächsten Jahr diese Einschränkungen nicht zu akzeptieren und ggf. im Vorfeld eine gerichtliche Klärung herbei zu führen.

      Mir ist in der Vergangenheit das Verhalten der Polizeimotorräder bei ähnlichen Veranstaltungen auch schon negativ aufgefallen (z.B. Rollerblade-Nights). Die Motorräder fahren mit hoher Geschwindigkeit über Gehwege, dicht an Hauseingängen und Teilnehmern vorbei um weiter vorne die Straße abzusperren.

      • Norbert Paul sagt:

        Vielleicht sollte man der Polizei nahelegen, dass man die Autofahrer vor den gefährlichen Radfahrern schützen muss, indem man großräumig um die Bösen eine Schutzzone einrichtet … :-D

  2. somlu sagt:

    Das gleich habe ich währenddessen auch gedacht, ich war in meinem Leben auf vielen Demos aber sowas habe ich noch nicht erlebt und ich weiß auch nicht, warum die Polizei ausgerechnet eine Fahrraddemo zu sowas zwingt.

    Soweit mir bekannt ist, gingen die Verhandlungen über all das ja bis kurz bevor es losging, also als wir alle schon auf dem Rudolfplatz standen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der ADFC Köln diese Demo zu kurzfristig angemeldet hat.

    Inzwischen hätte ich da gern mal ne Stellungnahme von den verantwortlichen Stellen. Vielleicht kann ja jemand aus dem Stadtrat dazu mal ne Anfrage stellen oder so.

  3. Wir haben mit der Polizei eine Route abgesprochen und hatten da auch keine Probleme. Die Polizei ging davon aus, dass wir uns bei der Geisterradaufstellung vor dem Gebäude sammeln, wie bei Gianlucas Mahnwache. Wir haben uns dazu naiverweise keine Gedanken gemacht. Das werden wir das nächste Mal vorher klären, denn Diskussionen darüber kurz vor dem Start sind eher schwierig. Eine Sperrung der Inneren Kanalstraße war für die Polizei schlicht und ergreifend unerwartet und hätte ggf. auch mehr Ressourcen erfordert. Leider haben ich die Enge auf der Kanalstraße auch nicht mitbekommen, weil wir mit dem Geisterrad beschäftigt waren.

    Die Diskussion zu einem oder zwei Fahrstreifen auf mehrstreifigen Straßen kennen wir aus der Critical Mass. Dort hat sich die Masse seit einer gewissen Größe ja dazu entschieden, die volle Breite der Richtungsfahrbahn zu nutzen, um waghalsige Überholmanöver zu verhindern. Ich selbst habe im Gegensatz zum letztjährigen Ride of Silence keine schlimmen Überholmanöver bemerkt. Allerdings war ich auch immer an der Spitze der Demo und nicht mitten drin. Daher kann ich das nicht wirklich beurteilen. Auch hier gilt: Wir lernen daraus, dass man alles vorher absprechen muss.

    Vielen Dank an Norbert und somlu für das Feedback, dass uns wirklich sehr hilft, um es beim nächsten Mal besser zu machen.

    • Norbert Paul sagt:

      Wieviele Leute ward ihr bei der Vorbereitung? Wann habt ihr angefangen mit der Vorbereitung? wieviel Aufwand (zeitlich) steckte bei euch dahinter?

      • Drei Aktive haben das oragnisiert (siehe letzte Zeile im Artikel). Dazu gab es Leute, die bei der Organisation der Geisterräder geholfen haben. Zeitaufwand ist schwer zu kalkulieren. Dabei gehen schon ein paar Tage drauf, insbesondere in die Mobilisierung und Medienarbeit. Wir haben allerdings auch vieles zum ersten Mal gemacht, das wird kommendes Jahr dann einfacher. Den Termin haben wir bereits im November in unsere Jahresplanung genommen und dann zu Jahresbeginn bekanntgegeben. Die Kernorga lief in den vier Wochen vor der Veranstaltung.

        • Norbert Paul sagt:

          Ich denke, wir sollten für’s nächste Jahr uns vornehmen, etwas mehr sagen zu können an den Standorten. Aber bei Unfällen mit Schwerverletzten wird es nicht mal immer eine Pressemittelung der Polizei geben.

          • Ich hatte zu jeder Stelle etwa vier Stichworte, um jeden Unfalltyp erklären zu können. Außerdem hatte ich für eventuelle Rückfragen die Polizei-PMs dabei. Habe aber letztendlich frei geredet. Vorbereitung dafür keine halbe Stunde.

            Freut Euch, wenn es keinen Todesfall gab. In Köln sind wir weit davon entfernt. Ggf. kann man auch zu einer älteren, nicht entschärften Unfallstelle noch mal fahren. Die Polizei sollte eigentlich auch auf Nachfrage einen Auszug aus einem Unfallbericht bereitstellen können.

            • Norbert Paul sagt:

              Wir haben von der Polizei nur Ort, Datum und Uhrzeit mit schwer verletzten Radfahrer*innen bekommen sowie die Unfallschwerpunkte. Beides war zuviel, daher haben wir uns für ersteres entschieden, wobei ich leider keine Antwort bekommen habe, ob es in den Außenbezirken keine solchen Fälle gab.

              Unser Motto war: Lieber klein als gar nicht.

  4. somlu sagt:

    Hallo Christoph,

    ich verstehe da einen Punkt nicht, wenn ihr die Route mit der Polizei besprochen habt, wieso kam der Gedanke die Innere Kanalstraße zu sperren, überraschend?

    • …ganz einfach, weil die Polizei (und wir anfangs auch) davon ausgingen, dass wir einfach auf den Platz da gehen. Der genaue Aufstellort des Geisterrads wurde erst am Pfingstwochenende festgelegt und dabei nicht über die Menschen drum rum nachgedacht. Wir hatten nur im Blick, dass das Rad nicht den Fuß- und Radverkehr stören soll. Wenn wir auf den Platz gegangen wären, wäre eine Straßensperrung nicht notwendig gewesen.

  5. somlu sagt:

    Ah, jetzt kapiere ich. Blöd, dass ich zwischenzeitlich keine Ahnung hatte, wo wir eigentlich lang gefahren sind. Die Sperrung der Inneren Kanalstraße ist nur ein Aspekt, ich fand es weit schlimmer, dass wir an gefährlichen Autostraßen gezwungen wurden einspurig zu fahren, was durch die Enge auf der rechten Spur echt schwierig war. Es gab die Auffahrt auf eine vierspurige Straße mit doppeltdurchgezogner Linie, da fand ich es am allerschlimmsten.

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