Stoppt das Töten von Radfahrern!

Unter dem Motto Stoppt das Töten von Radfahrern! gingen wir im Oktober 2015 nach einer verheerenden Woche mit zahlreichen Abbiegeunfällen auf die Straße. Doch passiert ist seither kaum etwas. Noch immer werden regelmäßig Fußgänger und vor allem Radfahrende durch abbiegende LKW getötet.

Rechts abbiegende LKW verursachten die letzten drei Unfälle in Köln, bei denen Menschen auf Fahrrädern starben. Sie ereigneten sich alle innerhalb eines Jahres. Bundesweit wurden alleine im Jahr 2018 bereits 15 Menschen auf Fahrrädern von rechts abbiegenden LKW getötet. Im letzten Jahr waren es 38.[clearboth]

Verfolgung der Vision Zero

Um die Vision Zero, also das Ziel von Null Verkehrstoten zu erreichen, müssen der europäische und der Bundesgesetzgeber beispielsweise Abbiegeassistenten für LKW vorschreiben. Aber es muss auch auf kommunaler Ebene gehandelt werden. Vor allem in der Gestaltung der städtischen Verkehrsinfrastruktur bei deren Planung, Bau und Umbau, die Sicherheit aller am Verkehr teilnehmenden Menschen höher gewichtet werden muss, als der Verkehrsfluss des KFZ-Verkehrs. So verlangt es übrigens auch der Gesetzgeber.[clearboth]

Rückbau der freilaufenden Rechtsabbieger

Die Kölner Stadtverwaltung wurde von der Politik dazu beauftragt, die freilaufenden Rechtsabbiegespuren gemeinsam mit der Polizei und dem ADFC zu überprüfen und im Zweifel zurückzubauen, anstatt weiter den LKW- und Autoverkehr an einer Stelle zu beschleunigen, an der er entschleunigt werden müsste. Nur mit Druck und zahlreichen Nachfragen konnte der ADFC einen ersten Projekttermin Ende Juni 2018 durchsetzen.

Auch wo es konkrete Beschlüsse zum Rückbau der freilaufenden Rechtsabbieger gibt, ist die Verwaltung untätig. Zu nennen sind die Kreuzungen Aachener / Innere Kanalstraße und Subbelrather / Innere. An letzterer verweigert sich die Verwaltung seit dem tödlichen Unfall im Mai 2018 der Realisierung von mehr Verkehrssicherheit für Radfahrer. Zunächst wurde eine von allen (!) Verkehrsteilnehmern ignorierte „Chaos-Ampel“ aufgestellt. Diese verschärfte die Gefahr und bremste den Radverkehr aus. Später wurde nach öffentlichem Druck die Ampel durch ein Stopp-Schild ersetzt. Seine Einhaltung wird von der Polizei kaum kontrolliert. Entsprechend häufig wird es von KFZ-Fahrern missachtet. Die von der BV-Ehrenfeld beschlossene Aufpflasterung der Querungshilfe für Fuß- und Radverkehr würde den KFZ-Verkehr abbremsen. Mittlerweile ist der Fahrradverkehr dort so zahlreich, dass die Aufstellfläche auf der Verkehrsinsel im Berufsverkehr regelmäßig zu klein ist. Darum müsste der freilaufende Rechtsabbieger geschlossen werden und Autos zukünftig von der Hauptspur rechts abbiegen. Dem erteilte die Leiterin der städtischen Unfallkommission in der Presse bereits eine Absage. Es sei dann mit Kfz- Rückstau zu rechnen. Hier zweifeln wir an der städtischen Prioritätensetzung.

Wie an der Kreuzung an der Boltensternstraße deutlich wurde, kann es selbst an einem relativ übersichtlichen freilaufenden Rechtsabbieger zu tödlichen Missverständnissen kommen. Unser Ziel in einem Beurteilungstermin ist daher der Rückbau aller freilaufenden Rechtsabbieger in der Stadt. Es muss also darum gehen, zu priorisieren wo der Rückbau zuerst stattfinden soll.

Sichere Kreuzungsgestaltung

Auch die Kreuzungen ohne Rechtsabbiegespur dürfen nicht vergessen werden. Wichtig ist hier allem voran die Herstellung von Sichtbeziehungen. In Kölner Kreuzungen wird häufig bis in den 5-Meter-Bereich hinein Parkraum ausgewiesen. Zudem werden auch Falschparker in Kreuzungen und Kreisverkehren konsequent ignoriert. Gelegentlich gibt es Knöllchen. Obwohl eigentlich nötig, wird nicht abgeschleppt. Außerdem werden die Sichtbeziehungen zwischen den Verkehrsteilnehmern in der gesamten Stadt durch Werbesäulen und -tafeln verschlechtert. Unsere Proteste dagegen blieben folgenlos.

Die Ampelschaltungen sind weiterhin auf den motorisierten Verkehr ausgerichtet. Konfliktschaltungen, bei denen rechts abbiegende KFZ gleichzeitig mit gerade aus verkehrenden Menschen zu Fuß und auf Fahrrädern grün haben, werden nicht umprogrammiert. So wird weiterhin die Flüssigkeit des Abbiegeverkehrs höher gewichtet als die Sicherheit von Fußgängern und Radfahrern. Die Flüssigkeit des Fuß- und Radverkehrs hingegen wird an vielen Kreuzungen z. B. durch unabgestimmte Ampelphasen oder Bettelampeln behindert. Hier wird vergessen, dass auch Menschen zu Fuß oder auf dem Fahrrad Teil des Verkehrs sind.

„Die Flüssigkeit des Verkehrs ist mit den zur Verfügung stehenden Mitteln zu erhalten. Dabei geht die Verkehrssicherheit aller Verkehrsteilnehmer der Flüssigkeit des Verkehrs vor.“

(aus der VwV-StVO)

[clearboth]

Übersichtlichere LKW mit Assistenztechnik

Während die lokale Verkehrsinfrastruktur in der Verantwortung der Stadt liegt, kann sie keine bundes- und europaweiten Vorschriften für die übersichtlichere Gestaltung von LKW-Fahrerkabinen und den Einbau von Abbiegeassistenzsystemen in LKW erlassen. Trotzdem hat sie Einfluss auf die Gestaltung eines Teils der in der Stadt verkehrenden LKW. So können die Kölner Stadtverwaltung und die Gesellschaften des Stadtwerke-Konzerns von AWB über KVB bis RheinEnergie bei Neuanschaffungen LKW-Modelle mit übersichtlichsten Fahrerkabinen wählen. Fahrzeuge im Bestand können sie freiwillig mit Abbiegeassistenzsystemen und Rundumkameras nachrüsten.

Fast ohne Investitionen kann dafür gesorgt werden, dass an städtischen LKW die seit Jahren vorgeschriebenen, den toten Winkel ausleuchtenden Spiegel auch richtig eingestellt sind. Sofort umsetzbar wäre, die Spiegeleinstellplanen der Berufsgenossenschaft Verkehr dafür einzusetzen. Nur unwesentlich länger dauerte die Einrichtung von Spiegeleinstellplätzen auf den Werksgeländen der Städtischen Betriebe und den Zufahrtstraßen des LKW-Führungskonzepts. Auch diese Maßnahmen sind beide relativ günstig.


Mit dem Anklicken des Videos zum Starten erklären Sie sich mit einer Datenübertragung an externe Stellen einverstanden. Siehe unsere Datenschutzerklärung.

Vision Zero in Köln umsetzen!

Die Stadtverwaltung ist dazu aufgefordert, endlich die die Verkehrssicherheit aller Verkehrsteilnehmer wichtiger zu bewerten als die Flüssigkeit des Autoverkehrs. Hierzu bedarf es einem grundsätzlichen Umdenken von der autogerechten Stadt zur „Vision Zero“ in Infrastruktur und Fuhrpark.

Text: Christoph Schmidt, Alexander Bühler
Fotos: Arndt Klocke, Paul Hense
[clearboth]


Anmerkung:

Der Text erschien zuerst in der Ausgabe 2/2018 unserer Zeitschrift “fahrRAD!”. Seitdem sind zwei weitere Radfahrer im Kölner Straßenverkehr ums Leben gekommen, einer davon durch einen rechtsabbiegenden PKW.

Über Christoph Schmidt

Ich bin seit 2010 mit dem Softwareunternehmen messageconcept in Köln selbständig. Als leidenschaftlicher Radfahrer und Bahnfan setze ich mich seit Jahren für ein lebenswertes Köln mit einer nachhaltigen Mobilität ein. Seit 2013 engagiere ich mich ehrenamtlich im Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club und bin seit 2018 Vorsitzender des ADFC in Köln. Neben anderen Gremien bin ich seit 2021 Mitglied des ADFC-Bundesvorstands.
Dieser Beitrag wurde unter Infrastruktur, Politik, Radverkehr abgelegt und mit , , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

2 Antworten zu Stoppt das Töten von Radfahrern!

  1. Norbert Paul sagt:

    Die Stadtverwaltung schreibt regelmäßig Stellen aus, die mit Leuten besetzt werden sollen, die Köln (noch) fahrradfreundlicher machen sollen. Wenn ich lese, was Köln dann in der Nahmobil als Fortschritte preist und was hier so geschrieben wird, kommt bei mir die Frage auf, was machen diese ganzen Stellen eigentlich den lieben langen Tag.

  2. Schlumpf sagt:

    Ein Grund ist, dass immer größere Autos im Straßenverkehr zugelassen werden, 40 Tonner fahren hier auch durch Anliegerstraßen die, als sie gebaut wurden, nicht dafür ausgelegt sind.

    Die Stadt ist auch Vorreiter, Müllabfuhr LKWs sind so breit dass sie sogar Gehwege befahren müssen um ihren Job zu machen.

    RTWs gingen auch etwas schmaler.

    Das gleiche gilt für die Feuerwehr

    Der Tophit sind die städtischen Linienbusse besonders diese langen.

    Aber etwas haben diese Busse was LKWs eben nicht haben, den tiefen Fahrersitz! Wäre der bei den LKWs vorgeschrieben, dann gäbe es mit Sicherheit nicht so viel Tote.

    usw…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert