Wirksame Maßnahmen zur Vermeidung von Unfällen

Die bundesweiten Unfallzahlen für Radfahrende sind zum Halbjahr wieder einmal angestiegen, auch in Köln sind sie weiter auf einem sehr hohen Niveau. Im laufenden Jahr sind bereits fünf Kölner Radfahrer ums Leben gekommen. Angesichts dessen müssen Stadt und Polizei endlich ihr Konzept überdenken. Das alleinige Verteilen von Warnwesten und die Werbung für Helme für Fußgänger und Radfahrende können nicht die Lösung der Probleme sein.

Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) arbeitet in der Arbeitssicherheit mit einer sogenannten Maßnahmenhierarchie zur Vermeidung von Unfällen. Demnach sollten nach dem TOP-Prinzip zuerst immer die technischen Maßnahmen (T) umgesetzt werden. Wenn dies nicht ausreicht, sind organisatorische Maßnahmen (O) erforderlich. Erst zuletzt sollen geeignete, persönliche Maßnahmen (P) greifen. Überträgt man das auf den Straßenverkehr, konzentriert man sich in Köln leider vor allem auf den letzten Punkt und setzt so mehr auf die Abmilderung von Unfallfolgen als auf die Vermeidung von Unfällen.

Maßnahmenhierarchie zur Unfallvermeidung im Straßenverkehr © Christoph Schmidt, ADFC Köln
Maßnahmenhierarchie zur Unfallvermeidung im Straßenverkehr (Grafik: ADFC Köln)

Das gemeinsame Ziel sollte es aber sein, endlich die Verkehrssicherheit aller Verkehrsteilnehmer höher zu bewerten, als die Flüssigkeit des Autoverkehrs, wie es auch die Verwaltungsvorschrift zur StVO vorschreibt. Die bisherige, allenfalls homöopathische Nutzung der technischen und organisatorischen Maßnahmen reicht nicht aus. Es sind signifikante Investitionen in Personal und Infrastruktur erforderlich, wenn die Unfallzahlen gesenkt und nicht nur verwaltet werden sollen.

Eine Priorisierung nach einer an die DGUV angelehnte Maßnahmenhierarchie und die Nutzung des radverkehrsspezifischen Fachwissens des ADFC in der städtischen Unfallkommission sollten daher selbstverständlich sein.

Technische Maßnahmen

Die Stadt Köln muss ihre Verantwortung durch die Umsetzung von technischen Maßnahmen in der Verkehrsinfrastruktur wahrnehmen, um Gefahren zu vermeiden und vorhandene Gefahren von ungeschützten Verkehrsteilnehmern zu trennen. Die Kölner Polizei muss dies immer wieder bei der Stadtverwaltung einfordern. Nur wenn die Infrastruktur passt, hat sie eine Chance, dem Chaos Herr zu werden.

Technische Maßnahme: Stadtweites Tempo 30 (Foto: ADFC Bundesverband)

Daher fordert der ADFC eine stadtweite Absenkung der Geschwindigkeit auf innerorts max. 30 km/h. Bereiche mit einem hohen Aufkommen an Fußgänger- und Radverkehr sollten physisch auf den Anliegerverkehr beschränkt oder beispielsweise als Fahrradstraßen ganz vom motorisierten Durchgangsverkehr befreit werden. Hier eignen sich auch modale Filter, wie z.B. Diagonalsperren, oder wechselnde Einbahnstraßenrichtungen.

Wichtige Durchgangsstraßen können auf 50 km/h ausgelegt werden. Allerdings ist hierzu die Anlage von physisch abgetrennten, sicheren, breiten und gut gewarteten Radwegen oder geschützten Radfahrstreifen sowie ausreichenden Fußgängerüberwegen erforderlich, um eine Trennung von Mensch und Gefahr zu ermöglichen.

Technische Maßnahme: Getrennte Wege, wie hier am #RingFrei Aktionstag (Foto: ADFC Köln)

Die Anzahl der Parkplätze im öffentlichen Straßenraum muss deutlich reduziert werden, insbesondere direkt neben Radwegen und -spuren sind Kfz-Parkplätze weitestgehend zu entfernen.

Kreuzungen müssen nach niederländischem Vorbild u.a. durch getrennte Grünphasen, eine faire Berücksichtigung des Verkehrsflusses aller Verkehrsteilnehmer und großzügig bemessene Wartebereiche für Fußgänger und Radfahrende sicher gestaltet werden. Zudem müssen durch bauliche Maßnahmen gute Sichtbeziehungen zwischen den Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmern sichergestellt werden.

Organisatorische Maßnahmen

Auf der organisatorischen Ebene sind Stadtverwaltung und Polizei gefragt, geltendes Recht umzusetzen und vorhandene Ansätze auszubauen. Allen voran ist hier die Durchführung von Verkehrsschauen zu nennen. Diese müssen nach Gesetz alle zwei Jahre und an Straßen erheblicher Verkehrsbedeutung und Unfallschwerpunkten jedes Jahr durchgeführt werden.

Organisatorische Maßnahme: Konsequentes Abschleppen (Foto: ADFC Köln)

Durch erheblich mehr unangekündigte Geschwindigkeitskontrollen erwarten wir eine deutliche Absenkung der in der Stadt gefahrenen Geschwindigkeiten und damit des Gefahrenniveaus für alle, die am Kölner Straßenverkehr teilnehmen. Falschparker, welche schwächere Verkehrsteilnehmer behindern und gefährden oder Lieferzonen blockieren und damit Lieferanten zum Falschparken zwingen, müssen jeden Tag und nicht nur an pressewirksamen Aktionstagen konsequent abgeschleppt werden.

Die Sanktionierung des fehlenden Überholabstands wurde von der Kölner Polizei bereits erfolgreich getestet. Auch hier fordern wir eine tägliche Umsetzung, insbesondere in Erwartung der kommenden StVO-Novelle zum Mindestüberholabstand von 1,5 bzw. 2 Metern.

Organisatorische Maßnahme: Sanktionierung von geringem Überholabstand (Foto: Polizei Köln)

Die Nutzung von Gehwegen durch Radfahrende sowie von Radwegen durch Geisterradler und Fußgänger muss stärker sanktioniert werden. Gleichzeitig muss die Stadt Köln aber auch die Ursachen für das Fehlverhalten abstellen und beispielsweise eine sichere Radverkehrsinfrastruktur bauen und die Querung von Straßen erleichtern.

Die städtische Unfallkommission muss anders aufgestellt werden und benötigt dringend das Fachwissen aus den Fußgänger- und Radverkehrsverbänden zur Umsetzung weiterer Maßnahmen.

Persönliche Maßnahmen

Wir begrüßen die Informationskampagnen von Stadt und Polizei, beispielsweise zum Geisterradeln, zum Überholabstand und zum gefährlichen Falschparken auf Radfahrstreifen. Diese ersetzen aber weder die notwendigen technischen Maßnahmen noch das konsequente Sanktionieren von Fehlverhalten durch deutlich mehr Präsenz auf der Straße.

Persönliche Maßnahme: Kampagne zu #anderthalbmeter Überholabstand (Foto: ADFC Köln)

Persönliche Schutzausrüstung sollte nur in der Ausnahme erforderlich sein, z.B. in Form von Warnwesten für Straßenwärter, Abschleppdienste und Rettungsdienste.

Die Verkehrsmoral wird durch die technischen und organisatorischen Maßnahmen bereits deutlich verbessert. Dies kann durch ergänzende Unterweisungen in den Pressemitteilungen der Stadt und Polizei, Infostände, Veranstaltungen, Plakataktionen oder auch durch Aktionsaufkleber auf Streifenwagen und kommunalen Fahrzeugen unterstützt werden.

Persönliche Maßnahme: Kampagne gegen das Parken auf Radfahrstreifen (Foto: Polizei Köln)

Die persönlichen Maßnahmen können allerdings niemals die technischen und organisatorischen ersetzen.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Zeitschrift fahrRAD! des ADFC Köln.

Über Christoph Schmidt

Ich bin seit 2010 mit dem Softwareunternehmen messageconcept in Köln selbständig. Als leidenschaftlicher Radfahrer und Bahnfan setze ich mich seit Jahren für ein lebenswertes Köln mit einer nachhaltigen Mobilität ein. Seit 2013 engagiere ich mich ehrenamtlich im Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club und bin seit 2018 Vorsitzender des ADFC in Köln. Neben anderen Gremien bin ich seit 2021 Mitglied des ADFC-Bundesvorstands.
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3 Antworten zu Wirksame Maßnahmen zur Vermeidung von Unfällen

  1. Tina sagt:

    An dieser Stelle mal ein großes Lob für diesen tollen Blog.

  2. Peter sagt:

    Als Autofahrer und Radfahrer sehe ich an Ampeln das Problem das beide unterschiedliche Verkehrsmittel dringend getrennte grünphasen benötigen (unterschiedlich rot für Autos , danach rot für Fussgänger und Radfahrer – soviel Zeit muss sein).
    Das ist bei schlechtem Wetter oder Dunkelheit dazu noch überlebenswichtig, nicht jeder Auto LKW oder Radfahrer ist immer 100% Aufmerksam, besonders in der heutigen Zeit ist fast jeder gedanklich woanders als ununterbrochen aufmerksam, genau da lauert die Gefahr die man drastisch verringern kann.Egal ob Kind oder Alt, wir müssen Kreuzungen endlich mal sicherer machen.
    Jedes Leben eines Menschen jung oder alt gilt es zu beschützen!
    Bitte eine deutsche Gross-Stadt wie München auswählen um es zu versuchen!!!
    Es kann nicht sein dass endlose Zeithetze wichtiger ist als Menschenleben.
    Zuviel Autos??? Dann mehr Homeoffices!!!! und Termine so intelligent legen dass diese nicht zu den Hauptverkehrszeiten Stau verursachen! Kann doch nicht soo schwer sein! Wieviel Kinder und Mütter müssen noch sterben??

    • Das ist im Artikel schon drin:

      Kreuzungen müssen nach niederländischem Vorbild u.a. durch getrennte Grünphasen, eine faire Berücksichtigung des Verkehrsflusses aller Verkehrsteilnehmer und großzügig bemessene Wartebereiche für Fußgänger und Radfahrende sicher gestaltet werden.

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